Bereits zum fünfzigsten Mal veröffentlichte der Bund der Steuerzahler sein Schwarzbuch, in dem er Jahr für Jahr besonders absurde Ausgaben von Bund, Ländern und Kommunen anprangert. Die Fälle gehen den selbsternannten Interessenvertretern der steuerzahlenden Bürger nicht aus.
Gerade in der Krise sei es wichtig, solide Haushalte vorzuweisen, um handlungsfähig zu sein und Bürger und Betriebe gezielt entlasten zu können. Das gelte für Verantwortliche auf allen Ebenen – angesichts der gewaltigen, milliardenschweren Krisenprogramme auch und gerade für die Mitglieder der Bundesregierung.
„Jeder Minister muss sich als Sparkommissar verstehen“, sagte Vereinspräsident Reiner Holznagel bei der Vorstellung des diesjährigen Schwarzbuchs. Er kritisierte, dass einmal beschlossene Ausgaben in den Folgejahren nicht mehr hinterfragt würden, sondern oft immer weiterliefen.
Laut Holznagel hängt der Grad der öffentlichen Verschwendung nicht davon ab, welche Partei die politische Verantwortung trägt. „Verschwendung hat keine Parteifarbe“, sagte er. Er sieht in dem Schwarzbuch auch nach 50 Jahren noch einen wichtigen Impulsgeber für die Debatte über den wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz von Steuergeld.
WELT stellt fünf ganz unterschiedliche Beispiele für öffentliche Verschwendung vor, wie sie im Schwarzbuch 2022/2023 beschrieben werden.
Plötzlich fehlen sieben Meter im Kreisverkehr
Beim Bau eines Kreisverkehrs im südhessischen Egelsbach hatten die Initiatoren eigentlich gute Vorsätze: Sie wollten eine Kreuzung für Radfahrer mithilfe eines Kreisels sicherer machen. Der Neubau kostete 125.000 Euro, davon trugen 80 Prozent das Land Hessen und 20 Prozent die Gemeinde Egelsbach. Die Umsetzung des Baus übernahm die Regionalpark RheinMain SüdWest GmbH.
Als das Bauwerk fertig war, entdeckte man einen peinlichen Fehler: Statt des von der Gemeinde Egelsbach berechneten Durchmessers von 22 Metern wurden nur 17 Meter gebaut. Dadurch kamen Busse kaum durch. Für die wäre sogar ein Durchmesser von 24 Metern nötig gewesen, wie sich nach später Rücksprache mit dem Busunternehmer herausstellte.
Auf Nachfrage des Bundes der Steuerzahler schob Egelsbach den Schwarzen Peter dem für den Bau zuständigen Regionalpark RheinMain SüdWest zu: Die Gemeinde habe das Planungsziel bezüglich des Linienbusverkehrs an das vom Regionalpark beauftragte Planungsbüro weitergegeben, doch dieses habe die Vorgaben „schlichtweg nicht beachtet“. Die Umbaukosten werden auf 75.000 Euro beziffert.
„Egelsbach und der Regionalpark haben sich mit dem zu klein geratenen Kreisel bundesweit lächerlich gemacht“, lautet das Fazit des Bundes der Steuerzahler. Kommunikations- und Personalprobleme dürften nicht dazu führen, dass ein Bauvorhaben falsch umgesetzt werde und die Steuerzahler für diese Fehler bezahlen müssten.
Denkmalschutz für 1,6 Millionen Euro
Ein 1954 gebauter Gasometer in Lübeck wurde 2015 außer Betrieb genommen und sollte von den Stadtwerken abgerissen werden. Als die Genehmigung vorlag, erließ die zuständige Denkmalschutzbehörde eine Eilverfügung, die das Bauwerk zum Kulturdenkmal mit herausragendem Wert für die Technikgeschichte der Industrialisierung erklärte.
Für die Stadtwerke als Eigentümer war dies mit hohen Kosten verbunden: Weil Gutachter die Gefahr sahen, dass sich Nieten aus der Konstruktion lösen könnten, musste der gesamte Gasometer für rund eine Million Euro umbaut werden. Die jährlichen Unterhaltungskosten beliefen sich auf 100.000 Euro.
Nachdem alle Pläne gescheitert waren, das Gebäude für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen, knickten die Denkmalschützer ein und erlaubten im Jahr 2021 dann doch den Rückbau, der Ende vergangenen Jahres abgeschlossen war.
„Hätten die Denkmalpfleger ihre Prüfung rechtzeitig abgeschlossen, wären den Stadtwerken Lübeck und damit den Gebührenzahlern 1,6 Millionen Euro Kosten erspart geblieben“, heißt es im Schwarzbuch. Mit dem Geld hätte die Stadt besser drei hochmoderne Elektrobusse für den Stadtverkehr angeschafft.
Gratis-Brezeln für Radfahrer
Für alle, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, hatte die Landesregierung in Baden-Württemberg an fünf Tagen im Frühjahr eine besondere Belohnung: Radler konnten sich bei einer der rund 650 teilnehmenden Bäckereifilialen eine kostenlose „PendlerBrezel“ abholen. Mit dieser Aktion wollte das Verkehrsministerium all jene motivieren, die das Fahrrad statt das Auto im Berufsverkehr nutzen.
Die Radler mussten nichts für die Brezeln bezahlen, gratis war die Aktion allerdings nicht: Laut Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Kleine Anfrage eines Landtagsabgeordneten schlug sie mit Kosten in Höhe von 58.882,50 Euro zu Buche.
„Bei der Aktion ‚PendlerBrezel‘ handelte es sich um eine unnötige PR-Aktion zulasten der Steuerzahler“, kritisieren die Autoren. Umsatteln aufs Rad würden die meisten Pendler aus eigenem Antrieb, um etwas für ihre Fitness oder Gesundheit zu tun oder um auf die gestiegenen Benzinpreise zu reagieren. Da brauche es solche Aktionen nicht.
Unnötiges Impfzentrum kostet 1,2 Millionen Euro
Rund 1,2 Millionen Euro ließ sich das Personalamt der Stadt Hamburg ein Impfzentrum für Auffrischungsimpfungen der 100.000 Mitarbeiter der Stadt kosten. Doch diese nahmen das Angebot nicht an. Zwischen dem 13. Dezember 2021 und dem 21. Januar 2022 ließen sich nur 8.300 Mitarbeiter impfen. Das Impfzentrum wurde nach sechs Wochen wieder geschlossen.
Die Stadt kostete das Impfzentrum laut Schwarzbuch 1,2 Millionen Euro: 300.000 Euro wurden für das medizinische Personal ausgegeben, 900.000 Euro gingen an externe Dienstleister – für Planung, Sicherheitspersonal, Schutz- und Hygienekonzept, Brandschutz- und Evakuierungskonzept, Organisation vor Ort und Lagermanagement sowie für Reinigung und IT-Infrastruktur.
„Die zuständige Behörde hätte zwingend zuvor den Bedarf ermitteln müssen. Besonders fragwürdig ist die Maßnahme auch deshalb, weil bereits bei der Öffnung des temporären Impfzentrums ein Überangebot an Impfmöglichkeiten bestand – nahezu an jeder Ecke bestand die Möglichkeit einer Impfung und einer Auffrischungsimpfung“, resümiert der Bund der Steuerzahler.
Politische Lichtshow in Zeiten der Energiekrise
Deutschland im Sommer 2022: Der Bundesminister für Wirtschaft und Klima ruft die Deutschen zum Energiesparen auf und liefert bei einer millionenschweren Kampagne so manche Spartipps gleich mit: „Nicht so lange duschen!“, gehört dazu.
Gleichwohl läuft allabendlich eine aufwendige Lichtshow zur Geschichte des Parlamentarismus an der Fassade eines Bundestagsgebäudes in Berlin. Über riesige Lautsprecher wurden die Zuschauer beschallt, die das Spektakel von der Freitreppe vor dem Reichstagsgebäude aus bestaunen konnten.
Gesamtkosten: 1,16 Millionen Euro (netto), wie der Deutsche Bundestag mitteilte. Damit beliefen sich die Kosten der Show je Tag auf rund 12.500 Euro.
Angesichts der Rekordschulden des Bundes und von Energiesparappellen der Politik wirke eine solche Show auf Kosten der Steuerzahler aus der Zeit gefallen, heißt es im Schwarzbuch.
Die Autoren rechnen hoch, dass für eine Million Euro das Infomobil des Bundestages rund 100 Tour-Stationen in Deutschland hätte machen und vor Ort über die Arbeit des Deutschen Bundestages informieren können.
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