Weil die Strom- und Gasnebenkosten rasant steigen, wird es bei vielen Menschen vermutlich auch eng mit der Miete selbst. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) fordert daher einen besseren Kündigungsschutz für säumige Mieter. Auch ordentliche Kündigungen sollten bis zum Tag des Auszugs hinfällig werden können, wenn die Mietschulden bis dahin beglichen würden, sagte Geywitz der „Bild am Sonntag“.
Wie diese Idee allerdings praxistauglich gemacht werden könnte, was also beispielsweise mit den Nachmietern passieren soll, die dann mit gepackten Kisten vor der Tür stünden, erläuterte Geywitz nicht. Ein Kündigungsmoratorium, wie es laut „Tagesspiegel“ in Berlin geplant ist und bald verkündet werden soll, sprach die Ministerin trotz ausdrücklicher Nachfrage ebenfalls nicht an.
Die von ihr geforderte „Schonfristzahlung“ gibt es zwar schon, aber nur bei fristlosen Kündigungen, und das auch nur sehr bedingt: Ein Mieter kann die fristlose Kündigung zwar abwenden, wenn er binnen zwei Monaten nach der Räumungsklage offene Mietrechnungen bezahlt. Wurde aber zugleich eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, was oft geschieht, dann muss er trotzdem ausziehen – nur eben erst am regulären Ende der Kündigungsfrist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Ausnahmen von dieser Regel im Dezember 2021 scharf kritisiert. Die „Heilungschance“ solle dem Mieter lediglich Zeit verschaffen, damit er nicht von heute auf morgen auf der Straße stehe, so der BGH. Das und nichts anderes sei Sinn und Zweck der Nachzahlungsklausel.
Geywitz reichte nach Verkündung ihrer Forderung den Kelch aber ohnehin umgehend weiter an ihren Kabinettskollegen Marco Buschmann (FDP). Vom Bundesjustizminister verlangt sie nun zügig Vorschläge zu einer Mietrechtsreform, schließlich habe Buschmann die Beschlüsse der Ampel-Koalition umzusetzen. Sie gehe davon aus, dass Buschmann „das schon intensiv vorbereitet“.
Entsprechend scharf fiel die Replik aus der FDP-Bundestagsfraktion aus: Sandra Weeser, Vorsitzende des Wohnungsbau-Ausschusses, rügte Geywitz’ Ansinnen – und verwies ihrerseits auf die Zuständigkeit von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Statt am Mietrecht herumzudoktern, ist den Mietern mehr geholfen, wenn das Bundeswirtschaftsministerium die vereinbarte Strompreisbremse nun zügig vorantreibt und damit das Problem der hohen Energiekosten an der Wurzel packt“, sagte Weeser WELT.
Deutschland habe bereits ein sehr soziales Mietrecht. Außerdem gerieten Vermieter ebenfalls in finanzielle Schwierigkeiten, wenn die Miete ausbleibe, vor allem Eigentümer mit wenigen Wohneinheiten. Und dass Zeitaufschub bei diesem Problem etwas bringe, bezweifelt Weeser ohnehin: „Der Kostendruck auf den Mieter wird auch durch Aussetzen der Kündigung mutmaßlich nicht besser.“
Auch die Unionsfraktion kritisiert den von Geywitz geforderten Kündigungsschutz scharf. „Die Bauministerin missbraucht die tiefe wirtschaftliche Krise, um alte und falsche sozialdemokratische Pläne hervorzukramen“, sagte der rechtspolitische Sprecher, Günter Krings (CDU). Die Vorschläge gingen am eigentlichen Problem vorbei, weil sich die Lage schließlich durch exorbitant steigende Nebenkosten verschlimmert habe. Den Mietern und auch vielen Eigenheimbesitzern zu helfen, sei eine Aufgabe des Sozialstaats und kluger Energiemarkt-Regulierung.
„Hier muss die Bundesregierung endlich ihre Hausaufgaben machen, anstatt das Problem auf die Vermieter abzuwälzen“, so Krings weiter. Ansonsten treffe sie vor allem Privatleute, die selbst unter den wachsenden Gas- und Stromkosten litten: Fast 60 Prozent aller Mietwohnungen gehören Krings zufolge privaten Eigentümern, die nicht im Hauptberuf Immobilien vermieten.
Die AfD hält die Geywitz-Forderung ebenfalls für den falschen Weg. Mieter würden nur geschützt, wenn der Staat für bezahlbare Mieten sorge – „also runter mit den preistreibenden Bauauflagen“, so Marc Bernhard, baupolitischer Sprecher. Die Energiepreisexplosion sei zudem regierungsgemacht. „Die Regierung gefährdet mit ihrer Energiepolitik unseren sozialen Frieden.“
Die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Sonja Eichwede, begrüßt dagegen die Aussagen ihrer Ministerin. Es bestehe nicht nur dringender Handlungsdruck wegen der rasant steigenden Energiekosten, sondern auch bei den Kaltmieten. „Die im Koalitionsvertrag konkret festgelegten Mietschutzvorhaben müssen unverzüglich umgesetzt werden“, fordert Eichwede. Dabei sei ein „besonders wichtiger Punkt“, dass eine ordentliche Kündigung mit Nachzahlung abgewendet werden könnte.
„Zum geplanten Mieterschutz gehört aber auch die Absenkung der Kappungsgrenze, die Verlängerung der Mietpreisbremse, die Einbeziehung der Mietverträge der letzten sieben Jahre in die Berechnung qualifizierter Mietspiegel sowie die Verpflichtung zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel für Gemeinden über 100.000 Einwohner*innen.“
Der Linkspartei im Bundestag gehen die Geywitz-Vorschläge nicht weit genug. „Ein Kündigungsschutz ist längst überfällig, reicht aber allein nicht aus“, sagt die bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Caren Lay. „Es braucht einen Mietenstopp und ein Aussetzen von Indexmietverträgen, durch die sich die Miete automatisch mit der Inflation erhöht.“
Für die Grünen ließ Fraktionsvize Andreas Audretsch offen, was die Partei von dem Weg einer möglichen Heilung ordentlicher Kündigungen hält. Er betont aber: „Die Wohnung muss im Winter ein sicherer Ort sein. Niemand darf im Dunkeln oder Kalten sitzen, niemand darf angesichts hoher Kosten die Wohnung verlieren.“ Auch Kündigungen und Zwangsräumungen müssten ausgeschlossen werden. Stattdessen seien konkrete finanzielle Hilfen für alle notwendig, die ihre Nebenkosten nicht zahlen könnten. „Das gilt auch für kleine Eigentümer, die in Härtefällen Unterstützung brauchen.“
Vom Kabinett mahnt Audretsch zudem „grundsätzliche Reformen“ an. So sollten die Lücken in der Mietpreisbremse geschlossen werden. „Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt brauchen mehr Handlungsmöglichkeiten.“
Das von den Regierungspartnern vor zwei Wochen vereinbarte Entlastungspaket hat ein Volumen von 65 Milliarden Euro. Es sieht unter anderem Direktzahlungen für Rentner und Studierende, eine Strompreisbremse zur Senkung der Kosten für Haushalte und einen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger vor.
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