Leipzig. Am Montag begann in Leipzig Sachsens neue Demo-Saison. Die Partei "Die Linke" wollte ihren "heißen Herbst" gegen die Energie- und Sozialpolitik der Regierung starten - ungeachtet des erst am Tag zuvor beschlossenen Entlastungspaketes.
Um 19 Uhr begann die Demonstration auf dem Leipziger Augustusplatz, etwa 3.000-4.000 Menschen hatten sich versammelt. So viele hatte die Partei im Vorfeld angemeldet.
Gleichzeitig mit den Linken protestierten auch die rechtsextremen "Freien Sachsen" sowie weitere rechte und linke Gruppen - die meisten ebenfalls gegen die Energiepolitik der Regierung. Insgesamt waren acht Demos im Bereich der Innenstadt angemeldet. Im rechten Lager kamen mehr als 1.000 Menschen zusammen.
Die Linken-Demo wurde vom linken Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann eröffnet, der öffentlich als Organisator der Demonstration in Erscheinung trat. Zuvor musste Pellmann wegen des Benutzens des Wende-Begriffs "Montagsdemonstration" heftige Kritik einstecken.
Und so begann er seine Rede mit einer ausführlichen Rechtfertigung des Demotages. "Wir müssen demonstrieren, bevor es die Rechten tun." Doch er hat auch inhaltliche Forderungen: Abschaffung der Gasumlage, einen Deckel für Gaspreise, Übergewinnsteuer, keine Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel. Der Auftritt dauerte nur wenige Minuten.
Danach sprach Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Sie lobte ausdrücklich die Organisation der Demonstrationen in Leipzig und kritisiert die Grünen. Es folgte eine Überraschung: Zwei junge Beschäftigte der Leipziger Verkehrsbetriebe, die über schlechte Arbeitsbedingungen und mangelhafte Zukunftsaussichten sprachen. Auch sie fordern staatliche Eingriffe in den Energiemarkt.
Der Parteivorsitzende Martin Schirdewan kritisierte noch einmal das kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Entlastungspaket als unzureichend. Er kündigte noch einmal einen "heißen Herbst" an - ab sofort werde es täglich Energie-Demonstrationen in den verschiedensten Städten geben. Schirdewan nennt dabei auffällig viele Orte aus Ostdeutschland.
Zuletzt sprach der populäre Ex-Vorsitzende Gregor Gysi. Am Rande der Kundgebung sagte Gysi gegenüber der SZ: „ich möchte, dass die Linke führende Kraft in dieser Auseinandersetzung wird. Wir dürfen die Straßen und Plätze nicht den Rechten überlassen. Die Bevölkerung hat kein Vertrauen in die Regierung, das kann den heißen Herbst machen.“
Gysi warf zudem der Bundesregierung vor, die Hilfspakete nicht durchdacht zu haben: "Unsere Bundesregierung ist in Wirklichkeit überfordert." Sie sei zudem nicht fähig zu einer in die Zukunft gerichteten Politik.
Gysi kritisierte deutsche Waffenlieferungen scharf. Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte "nicht das Recht, jemals wieder an Kriegen zu verdienen", sagte er. Deutschland verdiene aber an jedem Krieg, egal, wo er stattfinde.
Demos in Leipzig: Pegida-Anwalt verliest Regeln bei "Freien Sachsen"
Die Kundgebung fand auf dem zentralen Augstusplatz statt - und dort trafen zwei Lager direkt aufeinander. In Sicht- und Hörweite hatten die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Freien Sachsen" ihren Stand aufgestellt. Der von den Dresdner Pegida-Demonstrationen bekannte Anwalt Jens Lorek verlas die Demo-Regeln und trat als Anmelder auf.
Szene-Größen wie Compact-Chef Jürgen Elsässer, Sachsen-Anhalts Ex-AfD-Chef Andre Poggenburg und der rechte Verleger Götz Kubitschek waren vor Ort. Erste Redebeiträge waren sehr deutlich im Lager der Linken zu verstehen. Einige skandierten "Sahra, Sahra" - in Anspielung auf die umstrittene Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.
Gegen 19.30 Uhr setzten sich die "Freie Sachsen"-Demo in Bewegung, deutlich über 1.000 Teilnehmende bewegten sich Richtung Leipziger Ring. Dort hatten sich jedoch einige Gegendemonstranten versammelt, die die Route auf Höhe des Ringcafés blockiert hatten. Der Straßenverkehr auf dieser Route wurde zeitweise ausgesetzt.
Die rechte Demo skandierte "Wir sind das Volk" und "räumen". Im Abstand von je 40-50 Metern befanden sich gleich mehrere Blockaden hintereinander, insgesamt rund 200 Blockierende. Die Gegendemonstranten hatten Erfolg: Nach einer halben Stunde musste die Demonstration der "Freien Sachsen" umkehren.
Eigentlich sollte es danach einer Abschlusskundgebung auf dem Augustusplatz geben. Doch die Massen verteilten sich in der Innenstadt, die Polizei hatte Mühe, Ketten zu bilden. Es fehlten die Einsatzkräfte. Ordner Jens Lorek rief die Leute auf den Platz zurück, aber die meisten waren verschwunden. Auch die Polizei machte sich auf den Weg zum Hauptbahnhof. Lorek benannte "Schlägereien" als Grund für den Rückzug - Reporter konnten das nicht bestätigen.
Die Demonstration der Linken konnte hingegen ungestört laufen und wurde erst gegen 21 Uhr nach der Abschlusskundgebung aufgelöst. Dort erklärte ein hörbar heiserer Sören Pellmann die Veranstaltung zu einem vollen Erfolg: "Wir haben gezeigt: Der Montag gehört nicht den Faschisten und Neonazis."
Antifa versammelte sich im Leipziger Süden
Bereits am späten Nachmittag hatte sich auf der Karl-Liebknecht-Straße weiter südlich die Antifa versammelt, zog mit mehreren hundert Anhängern Richtung Norden. Ihr Ziel war der Augustusplatz und die Demonstration richtete sich vor allem gegen die Anwesenheit von rechten Kräften. Die Antifa-Anhänger sind wenig begeistert von der räumlichen Nähe der "Freien Sachsen" und der Linken.
Auch der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband, die Studierendenorganisation der Linken, war ebenfalls auf dem Augustusplatz zugegen und positionierte sich mit großen Bannern gegen die Energiepolitik der Regierung - aber auch gegen die "Freien Sachsen". Wenig später wurde der Aufzug schloss sich der Linken-Demo an.
Der sächsische Verfassungsschutz hatte bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass es Konfrontationen der verschiedenen politischen Lager bei den Leipziger Demonstrationen am Montag nicht für ausgeschlossen hält. Die Lage sei hinsichtlich der ideologischen Zuordnung unübersichtlich, erklärte Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian vorab.
Die Polizei war im Großeinsatz und warnt vor Verkehrseinschränkungen in der Leipziger Innenstadt. Die Leipziger Polizei wurde von der Bereitschafts- und der Bundespolizei unterstützt. Verstärkung aus anderen Bundesländern gab es nicht, auch Wasserwerfer und Reiterstaffeln waren nirgends zu sehen. Es gebe bisher keine Anzeichen oder Aufrufe für Gewalt, sagte ein Polizeisprecher gegenüber Sächsische.de.
Montagsdemos: Linke distanzieren sich von Rechtsextremen
Pellmann hatte in den Ankündigungen immer wieder von "Montagsdemonstrationen" gesprochen - ein Begriff der friedlichen Revolution in der DDR 1989. Diese richtete sich gegen die Staatspartei SED, aus der später die PDS und schließlich die Linke hervorging. Den Begriff Montagsdemo nutzen inzwischen auch rechte Gruppierungen. Zu ihnen geht die Linke scharf auf Distanz. Pellmann sagte der dpa, die Linke lasse sich "von Rechten keine Wochentage wegnehmen". Sie habe die Aufgabe, Protest in demokratische Bahnen zu lenken und politische Unzufriedenheit zu kanalisieren.
Auch am Montag äußerte sich der Abgeordnete zu den Anschuldigungen. Pellmann sagte zur möglichen Vereinnahmung der Proteste durch die Rechten: "Wir müssen jetzt mal den Montag durchziehen. Wir sind mehr. Wir sind lauter. Ich sehe da keine Gefahr."
Schwierig ist die Abgrenzung aber nicht nur, weil Rechte versuchen, sich in die Protestkampagne der Linken einzuklinken. Auch einige Slogans von rechts und links ähneln sich. So forderte Pellmann in seinem Aufruf einen "heißen Herbst gegen soziale Kälte". Die rechte AfD wirbt mit dem Motto "Heißer Herbst, statt kalte Füße!", ergänzt um den Spruch "Unser Land zuerst!"
Auch die Argumentationsmuster einzelner Politikerinnen und Politiker beider Lager zeigen Parallelen. AfD-Chef Tino Chrupalla spricht von einem "Wirtschaftskrieg" der Bundesregierung gegen Russland, er will Sanktionen gegen Moskau aufheben und die von der Bundesregierung gestoppte russische Gasleitung Nord Stream 2 in Betrieb nehmen.
Die Linken-Spitze ist ausdrücklich gegen Nord Stream 2 und für bestimmte Russland-Sanktionen. Doch spricht auch die frühere Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht von einem "Wirtschaftskrieg" der Bundesregierung gegen Moskau. Der frühere Parteichef Klaus Ernst nennt die Energiesanktionen gegen Russland einen schweren Fehler und wirbt ebenfalls dafür, Nord Stream 2 doch noch zu nutzen.
Auch die Linken-Vorsitzende Janine Wissler wies den Vorwurf zurück, ihre Partei protestiere gemeinsam mit Rechten. "Das ist doch vollkommen klar, dass die Linke nicht gemeinsam mit Rechten auf die Straße geht", sagte Wissler am Montag im Deutschlandfunk. Ihre Partei werde den Rechten auch die Straße nicht überlassen, "und zwar nicht montags und an keinem anderen Tag". (mit dpa; epd)
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