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Gaspipeline - Kanada erlaubt Ausfuhr von Turbine für Nord Stream 1 - Bundesregierung erleichtert - Deutschlandfunk

Rohre und Schilder mit der Aufschrift "Nord Stream 1" sind an der Empfangsstation der Ostseepipeline in Lubmin in Mecklenburg Vorpommern zu sehen.
Die Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Lubmin, Mecklenburg Vorpommern. (John Macdougall / AFP)

Die Ausnahme von den Sanktionen gegen Russland begründete der zuständige Minister Wilkinson damit, dass Präsident Putin versuche, die Gegner seines Angriffskriegs in der Ukraine mit seiner Energiepolitik zu spalten. Er erklärte, Kanada werde weiter mit den Europäern zusammenarbeiten, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten schnellstmöglich zu beenden.

Widerstand aus der Ukraine

Die Bundesregierung stand seit mehreren Wochen in intensiven Kontakten mit Kanada, um trotz der Sanktionen gegen Russland eine Rückführung der Turbine nach Europa zu erreichen. Die Ukraine hatte Kanada hingegen aufgerufen, die Turbine, die sich derzeit in Werkstätten des Siemens-Konzerns in der Nähe von Montréal befindet, nicht zurückzugeben. Ein solcher Schritt missachte die Sanktionen gegen Russland, hieß es aus dem ukrainischen Energieministerium.

Die Präsidentin des Ukrainisch-Kanadischen Kongresses, Alexandra Chyczij, reagierte verärgert auf die Entscheidung Kanadas, die Ausfuhr der Turbine zu gestatten. "Unsere Gemeinschaft ist zutiefst enttäuscht von der Entscheidung der kanadischen Regierung, sich der russischen Erpressung zu beugen." Kanada schaffe einen gefährlichen Präzedenzfall, der zur Schwächung des gegen Russland verhängten Sanktionsregimes führen werde. Die kanadische Außenministerin Melanie Joly sagte: "Kanada unterstützt unerschütterlich die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine. Wir werden nicht nachlassen, Druck auf das russische Regime auszuüben."

Ab morgen Wartungsarbeiten an Nord Stream 1

Das russische Staatsunternehmen Gazprom hatte im Juni bereits die Liefermenge durch die mehr als 1.200 Kilometer lange Pipeline von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern deutlich gedrosselt und das auch mit dem Ausfall der Turbine begründet. Die Bundesregierung zweifelte diese Argumentation an. Wirtschaftsminister Habeck sagte, es handele sich aus seiner Sicht "um eine politische Aktion" und die technischen Gründe seien nur vorgeschoben. Derzeit wird die Leitung laut Bundesnetzagentur nur zu etwa 40 Prozent ausgelastet. Auch russische Gaslieferungen über andere Leitungen nach Deutschland waren zuletzt zurückgegangen.

Morgen soll die Ostseepipeline für reguläre Wartungsarbeiten für voraussichtlich zehn Tage ganz heruntergefahren werden. Der Betreiber spricht von einer Überprüfung und gegebenenfalls Instandsetzung oder Kalibrierung etwa der Stromversorgung, des Brand- und Gasschutzes sowie bestimmter Ventile. Auch Software-Updates würden vorgenommen. Die Offshore-Pipelines blieben weiter unter Druck. Entsprechende Arbeiten hätten in den vergangenen Jahren zwischen 10 und 14 Tage gedauert. Sie wichen dabei aber auch teilweise von der angesetzten Frist ab. Nach Angaben der Bundesnetzagentur finden die Arbeiten nicht direkt an der Leitung, sondern an den Verdichterstationen statt, etwa in Lubmin. Zuletzt war in Berlin die Befürchtung geäußert worden, dass Russland danach die Lieferung von Gas nicht wieder aufnehmen könnte. Moskau hat das zurückgewiesen.

Für den Fall einer Rückkehr der reparierten Turbine hatte Russland am Freitag angekündigt, die Energielieferungen durch Nord Stream 1 wieder hochzufahren. "Wenn die Turbine nach der Reparatur kommt, dann erlaubt das eine Zunahme der Umfänge", sagte Kremlsprecher Peskow der Agentur Interfax zufolge. "Die Frage ist nur, warum das nicht gleich so gemacht wurde." Peskow wies einmal mehr zurück, dass Russland sein Gas als politisches Druckmittel einsetze. Es handele sich nicht um ausgedachte Reparaturarbeiten, sondern um planmäßig angesetzte Instandhaltungen. Russland erfülle alle Verpflichtungen gemäß der Verträge. "Und Russland ist vor allem in der Lage, die volle Energiesicherheit Europas zu gewährleisten."

Sorgen in der Industrie

Vor allem in der Chemie- und Pharmaindustrie sind die Sorgen vor einem Gasmangel groß. Die Branche ist laut dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit einem Anteil von 15 Prozent größter deutscher Gasverbraucher. Sie braucht Gas als Energiequelle und als Rohstoff zur Weiterverarbeitung in Produkten - etwa in Kunststoffen, Arzneien oder Düngemitteln. Die Preise für Gas seien derzeit atemberaubend hoch, sagte VCI-Präsident Kullmann. Um lieferfähig zu bleiben, stocke die Branche Lager auf.

"Wir bereiten uns für eine Drosselung oder sogar Einstellung der Gasimporte vor", sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Große Entrup. Die Unternehmen im Süden und Südosten Deutschlands würden wegen des Pipeline-Systems als Erstes leiden. Im Norden und Westen sei die Versorgung über Häfen hingegen einfacher.

Längst laufen auch in anderen Unternehmen Vorbereitungen für den Ernstfall. Die Folgen großer Ausfälle beschrieb der Chef des weltgrößten Chemiekonzerns BASF, Brudermüller, schon im April: Man müsse am größten Standort Ludwigshafen die Produktion zurückfahren oder ganz herunterfahren, wenn die Versorgung deutlich und dauerhaft unter 50 Prozent des maximalen Erdgasbedarfs sinke.

Der Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck stellt sich derweil darauf ein, die Produktion an seinen europäischen Standorten auch mit einer reduzierten Gasmenge weiter zu steuern. "So können wir beispielsweise einige Produktionsprozesse teilweise auch auf flüssige Brennstoffe umstellen", teilte der Konzern mit. Dies wäre aber deutlich teurer.

Beim Stahlkonzern ThyssenKrupp Steel Europe seien dagegen die Möglichkeiten, bei der Produktion Gas einzusparen, nur sehr geringfügig vorhanden, betonte ein Sprecher. Auch eine Umstellung von Erdgas auf Erdöl oder Kohle sei nicht oder nur in vernachlässigbarem Umfang möglich. Ein Mindestbezug sei zur Aufrechterhaltung der Produktion unverzichtbar. Sonst seien Stilllegungen und technische Schäden nicht auszuschließen.

Weiterführende Informationen

In unserem Newsblog zum Krieg in der Ukraine finden Sie einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen, den wir laufend aktualisieren.

Diese Nachricht wurde am 10.07.2022 im Programm Deutschlandfunk gesendet.

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