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Putins Kriegsprediger wird zum Problem für die evangelische Kirche - WELT - WELT

Symbolisch macht der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) einiges her: Wenn sich Vertreter von 352 Kirchen aus 120 Ländern im September in Karlsruhe zur elften Vollversammlung treffen, dann kann der Eindruck entstehen, dass der meist mit unverbindlichen Resolutionen befasste Zusammenschluss eine weltweite Glaubensgemeinschaft repräsentiere. Diese Gemeinschaftssymbolik kann in Karlsruhe zum Problem werden.

Denn zur Gemeinschaft gehört die Russisch-Orthodoxe Kirche unter Patriarch Kyrill I. Der bezeichnete den russischen Überfall auf die Ukraine als Verteidigung „traditioneller christlicher Werte“ sowie als „metaphysischen Kampf“ und behauptete nach Kriegsbeginn, Russland habe noch nie ein anderes Land angegriffen.

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Patriarch Kyrill I.
Patriarch Kyrill I.

Dem Chef der in der Ukraine kämpfenden russischen Nationalgarde, General Wiktor Solotow, überreichte Kyrill unlängst in einer Moskauer Kathedrale eine Marien-Ikone und sprach: „Möge dieses Bild junge Soldaten inspirieren, die den Eid ablegen und den Weg der Verteidigung des Vaterlandes einschlagen.“ Soll die von diesem Mann geführte Kirche, zu deren Spitzenpersonal enge Putin-Vertraute gehören, im Spätsommer in Deutschland geschwisterlich empfangen werden und ihre Propaganda vor 5000 Teilnehmern verbreiten können?

Unvorstellbar ist das für die Verfasser und Unterzeichner eines offenen Briefs, der WELT vorliegt und sich an den ÖRK-Generalsekretär Ioan Sauca sowie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) richtet. „Die Hierarchie der Russisch-Orthodoxen Kirche“, so heißt es in dem Schreiben „schafft mit ihrer Kriegslegitimation und der Ablehnung der individuellen, unveräußerlichen Menschenrechte eine geistige und geistliche Basis für eine autokratische Staatsmacht mit revisionistischen und diktatorischen Zügen. Mit ihrem Segen wird ein Angriffskrieg geführt.“ Da Letzterer „auch mit ideologischen Mitteln geführt“ werde, sei die Moskauer Führungsspitze der Russisch-Orthodoxen Kirche „ein wesentlicher Teil der russischen Kriegsmaschinerie“.

Ruf nach „Vorrang der Opferperspektive“

Initiiert haben das Schreiben, das am Freitag veröffentlicht werden soll, Ellen Ueberschär, langjährige Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, dann Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und heute Vorstand der Berliner Stephanus-Stiftung, sowie Katharina Kunter, Professorin für Kirchliche Zeitgeschichte in Helsinki.

Ellen Ueberschaer
Ellen Ueberschaer
Quelle: pa/Flashpic/Jens Krick

Zu den Erstunterzeichnern zählen laut den Verfasserinnen die frühere Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler (Grüne), die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), der DDR-Bürgerrechtler Markus Meckel (SPD) sowie Petra Bahr, Regionalbischöfin der Evangelischen Landeskirche Hannovers.

Gefordert wird in dem Brief, dass der Zentralausschuss des ÖRK bei seiner Sitzung im Juni „sorgfältig prüft, wie die Mitgliedschaft der Russisch-Orthodoxen Kirche im ÖRK ausgesetzt werden kann“. Weiterhin müsse „seitens des ÖRK und der EKD transparent kommuniziert“ werden, „wie der Krieg gegen die Ukraine und das Gebaren der Führungsspitze der Russisch-Orthodoxen Kirche auf der Vollversammlung im September thematisiert und der Vorrang der Opferperspektive gewahrt werden soll“.

Diese Opferperspektive müsse auch dadurch gewährleistet werden, dass der ÖRK auf der Vollversammlung allen ukrainischen Kirchen, die vom Moskauer Patriarchen unabhängig sind, „einen besonderen Platz einräumt“. Ein expliziter Ausschluss der Russisch-Orthodoxen Kirche wird nicht gefordert – wohl aber, dass sämtliche Verbindungen, die sich aus der Mitgliedschaft ergeben, bis auf Weiteres gekappt werden.

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Verteidiger des Christentums?

Entsprechend richtet sich an die EKD die Forderung, dass „ein Moratorium für jeglichen bilateralen Dialog auf kirchenleitenden Ebenen zwischen EKD und der Moskauer Führungsspitze der Russisch-Orthodoxen Kirche ausgesprochen wird“. Stattdessen sollten Kontakte zu Kirchen und Religionen in der Ukraine intensiviert werden: „Wir erwarten, dass sich die EKD in ihrer öffentlichen Kommunikation auf das Leid der Menschen in der Ukraine konzentriert und sich weniger um das schlechte Image der Russischen Orthodoxie sorgt.“

Bislang kein harter Bruch

Letzteres lässt sich als Spitze gegen EKD-Strömungen verstehen, die den russischen Angriffskrieg zwar genauso wie das Agieren der Russisch-Orthodoxen Kirche verurteilen, diese aber nicht abweisen wollen.

So sagte der bayerische Landesbischof und frühere EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der Kyrills Positionen verurteilt, dem Bayerischen Rundfunk: „Wir brauchen Brücken, wir brauchen Kontakte“. Die heutige EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus nannte Kyrills Rechtfertigungen des Kriegs „kaum zu ertragen“, forderte bisher aber keinen Abbruch der Beziehungen.

Eine WELT-Anfrage an die EKD zu ihrer Positionierung gegenüber der Russisch-Orthodoxen Kirche im Vorfeld des Karlsruher Treffens blieb am Donnerstag unbeantwortet. Für die römisch-katholische Kirche, die dem ÖRK nicht angehört, hat Papst Franziskus ein für Mitte Juni geplantes Treffen mit Kyrill abgesagt, aber ebenfalls keinen Bruch vollzogen.

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Zu denken geben könnte den Spitzen des Vatikans und der EKD, dass sie mit ihren Positionen in die Nähe des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gelangen: Dessen rechtsnationale Regierung sorgte am Donnerstag in Brüssel dafür, dass Kyrill im neuen Sanktionspaket der EU entgegen den Forderungen der anderen Mitgliedstaaten nicht auf die Sanktionsliste gesetzt worden ist.

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