Stand: 06.04.2022 20:30 Uhr
Polizisten haben am Mittwoch in elf Bundesländern Razzien gegen ein mutmaßliches Neonazi-Netzwerk gestartet - unter anderem in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
Nach jahrelangen Ermittlungen ist den Sicherheitsbehörden ein großangelegter Schlag gegen die militante Neonazi-Szene gelungen. Über 800 Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, die GSG 9 der Bundespolizei sowie Beamte der Landeskriminalämter schwärmten am Mittwochmorgen zu mehr als 60 Durchsuchungen in elf Bundesländern aus. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen 50 mutmaßliche Rechtsextremisten, wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte. Vier Männer wurden festgenommen. Sie sollen im thüringischen Eisenach junge Männer für den Straßenkampf rekrutiert und trainiert haben. Die Männer befinden sich in Untersuchungshaft.
Drei Beschuldigte aus Niedersachsen
Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag in Eisenach (Thüringen), aber auch Objekte in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-Württemberg wurden nach Angaben der Bundesanwaltschaft durchsucht. Nach Informationen des NDR in Niedersachsen waren auch zwei Objekte in der Region Hannover und je eines in Hildesheim und im Heidekreis darunter. Laut einem Sprecher des Generalbundesanwalts gibt es insgesamt drei Beschuldigte aus Niedersachsen.
War einer der Verdächtigen Soldat in Munster?
Einer der Verdächtigen soll in Munster stationiert gewesen sein. Chris Marvin C. habe bei der Panzertruppe in Munster gedient und sei vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) beobachtet worden, berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Mittwochmorgen. Der MAD habe den Angaben zufolge nicht verhindert, dass C. ständigen Zugriff auf Waffen und Munition hatte. Von der Bundeswehr hieß es dazu am Mittwoch, der Mann sei nicht als aktiver Soldat am Standort Munster - im Heidekreis - bekannt. Festgenommen wurde keiner der niedersächsischen Beschuldigten.
Razzien im Norden
In Mecklenburg-Vorpommern wurden laut Informationen der Bundesanwaltschaft Wohnungen in den Landkreisen Mecklenburgische Seenplatte, Vorpommern-Greifswald und Rostock von drei Verdächtigen untersucht, die Verbindungen zu der verbotenen Gruppierung "Combat 18" haben sollen. Diese gilt als der bewaffnete Arm der Neonazi-Bewegung "Blood and Honour". Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind Ermittler aus Güstrow, Demmin und Pasewalk im Einsatz. In Schleswig-Holstein wurden zwei Häuser in Landkreis Plön durchsucht, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft mit.
Festgenommene sollen rechtsextreme Kampfsportgruppe angeführt haben
Drei Personen wurden laut Bundesanwaltschaft in Eisenach festgenommen, eine Person in Rotenburg an der Fulda (Hessen). Die Männer werden unter anderem verdächtigt, führende Mitglieder der rechtsextremen Kampfsportgruppe "Knockout 51" sowie Mitglieder weiterer rechtsextremer Vereinigungen zu sein. Bei "Knockout 51" handle es sich um eine Gruppe, die "unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockt, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausbildet", teilte die Bundesanwaltschaft mit.
Training in den Räumen der Landes-NPD
Trainiert wurde demnach in der Zentrale der Thüringer NPD, im "Flieder Volkshaus" in Eisenach. Auch hier gab es Durchsuchungen. "Knockout 51" sei vor allem in Thüringen aktiv und außerdem überregional mit anderen Rechtsextremen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vernetzt. In Eisenach soll die Gruppe versucht haben, einen "Nazi-Kiez" zu etablieren und dort Ordnungsmacht zu werden.
Netzwerk um "Combat 18" und "Atomwaffen Division Deutschland"
Die Festgenommenen und weitere Beschuldigte sollen die inzwischen in Deutschland verbotene rechtsextreme Gruppe "Combat 18" weitergeführt haben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte dazu am Mittwoch: "Die heutigen Maßnahmen zeigen noch einmal deutlich, dass Vereinsverbote ein scharfes Schwert zur Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind." Andere Verdächtige sollen Mitglieder der "Atomwaffen Division Deutschland", einer rechtsextremistischen, terroristischen Vereinigung mit Ursprung in den USA, gewesen sein. Zudem wirft die Bundesanwaltschaft weiteren Verdächtigen vor, Teil des "Sonderkommandos 1418" gewesen zu sein. Ziel dieser Chatgruppe sei es gewesen, "Anhänger für terroristische Anschläge zum 'Rassenkrieg' und zur Zerstörung bestehender demokratischer Systeme unter Ersetzung durch ein neofaschistisches System zu gewinnen", erklärte die Behörde in Karlsruhe.
Ermittlungen seit 2019
Gegen Mitglieder von "Sonderkommando 1418" und "Atomwaffen Division Deutschland" sei aufgrund von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes seit September 2019 ermittelt worden. Einer der Beschuldigten ist der heute festgenommene Leon R. aus Eisenach. Seine Kontakte zu einem anderen Beschuldigten führten zur Einleitung von Ermittlungen. In deren Verlauf hätten sich "Anhaltspunkte für personelle Verbindungen von Beschuldigten in die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene ergeben", so die Bundesanwaltschaft.
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