Flüchtlinge aus der Ukraine sollen in Deutschland künftig nach festen Regeln verteilt werden. Wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Deutschlandfunk sagte, soll der sogenannte Königsteiner Schlüssel angewendet werden. Mit dem Königsteiner Schlüssel wird berechnet, zu welchem Anteil die einzelnen Bundesländer Geflüchtete aufnehmen müssen.

Faeser wies aber darauf hin, dass viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine Verwandte sowie Freundinnen und Freunde als Anlaufpunkte hätten und damit ihre Aufenthaltsorte selbst bestimmten. Ukrainerinnen und Ukrainer mit einem biometrischen Pass dürften visumfrei einreisen. Die Menschen würden registriert, wenn sie sich bei Ausländerbehörde meldeten. "Das heißt, niemand erhält Leistungen ohne Registrierung", sagte Faeser. CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuvor die Registrierung aller Ankommenden gefordert.

Bislang sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums 159.772 Menschen registriert worden. Das sind allerdings nur die Flüchtlinge, die von der Bundespolizei festgestellt werden, etwa an der österreichisch-bayerischen Grenze oder in Zügen. Die Zahl der eingereisten Kriegsflüchtlinge dürfte deutlich höher liegen. Täglich kommen etwa 12.000 Menschen in Deutschland an. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben bereits mehr als 2,8 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Die meisten suchen zunächst in den Nachbarländern Zuflucht.

Bei der Einreise der Flüchtlinge sieht Faeser nach eigener Aussage kein Sicherheitsrisiko. Die Bundespolizei habe die Kontrollen an den Binnengrenzen verstärkt und kontrolliere, wenn sie Auffälligkeiten feststelle, sagte sie. "Ich weiß, dass es dafür auch Kritik gibt, aber ich stehe dazu, weil wir darüber einen Überblick haben müssen."

Faeser hofft weiter auf Erfolg diplomatischer Bemühungen

Mit wie vielen ukrainischen Geflüchteten sie noch rechnet, sagte die Innenministerin nicht. Das hänge vom Kriegsgeschehen in der Ukraine ab. "Wir müssen doch im Moment von Tag zu Tag schauen, wer kommt. Im Moment arbeiten wir mit der Größenordnung der letzten Tage", sagte Faeser. "Wir hoffen ja immer noch sehr, dass diplomatische Bemühungen auch irgendwann erfolgreich sein werden, sodass viele Menschen sich nicht mehr auf die Flucht begeben müssen. Weil das ist ja wirklich eine humanitäre Katastrophe, was da gerade passiert."

Der Migrationsexperte und Vorsitzende des Thinktanks Europäische Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus, hat unterdessen vor der größten Fluchtbewegung seit 1945 gewarnt. "Das könnte nicht nur die größte Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa werden – das ist sie bereits – sondern die größte Flüchtlingsbewegung der Welt seit damals", sagte Knaus der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die letzte vergleichbare Fluchtbewegung habe es 1971 von Bangladesch nach Indien gegeben.

Grund für die starke Bewegung ist Knaus zufolge die brutale Art der Kriegsführung. Diese habe Russlands Präsident Wladimir Putin bereits im Krieg in Tschetschenien im Jahr 2000 betrieben. "Er lässt Städte belagern und Infrastruktur zerstören. Das führt immer zu enorm hohen Zahlen von Vertriebenen, weil es so brutal ist", sagte Knaus. In Tschetschenien sei innerhalb weniger Monate ein Viertel der Bevölkerung vertrieben worden. Auf die Ukraine angewendet, entspräche das 10 Millionen Menschen.

Verfolgen Sie die Entwicklungen im Krieg in der Ukraine in unserem Liveblog.