
Berufsverkehr in Wiesbaden (im Juni 2021)
Foto: Sebastian Gollnow / dpaIn der Diskussion über Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger wegen der drastisch gestiegenen Energie- und Spritpreise sprechen sich die Gewerkschaften deutlich gegen einen Tankrabatt aus. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte vorgeschlagen, jeden Liter Sprit über einen staatlichen Zuschuss zu subventionieren. Solch ein Tankrabatt sei »wunderbar für die Mineralölwirtschaft und die SUV-Fahrer, die auch drei Euro für den Liter Sprit zahlen könnten«, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Er hilft nur nicht denen, die mit dem Pkw täglich zur Arbeit fahren müssen.«
Auch IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hält die Idee weder für sozial gerecht noch für praktisch leicht umsetzbar, wie er dem »Handelsblatt« sagte: »Wer zu Hause in der Garage einen Boliden mit 14 Liter Verbrauch hat, würde davon am meisten profitieren.«
Stattdessen macht sich der DGB für ein »Mobilitätsgeld« stark, das die Pendlerpauschale ersetzen könnte. Die Pauschale habe den Nachteil, dass Beschäftigte mit kleinem Einkommen, die wenig Einkommensteuer zahlen, trotz gleich langem Arbeitsweg weniger entlastet würden als Gutverdiener, heißt es in einem Positionspapier. »Deshalb braucht es ein Mobilitätsgeld, das unabhängig vom Einkommen und Verkehrsmittel gewährt wird.« Ein solches Mobilitätsgeld fordern auch Verbraucherschützer schon seit Längerem.
Es unterscheidet sich allerdings von dem namensgleichen »Mobilitätsgeld«-Vorschlag von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), das unabhängig vom Arbeitsweg bezahlt würde und derzeit in der Koalition beraten wird. Im Gespräch ist ein nach Einkommen gestaffelter Zuschuss, der mit dem Monatsgehalt überwiesen werden könne. Mögliches Modell: Bis 2000 Euro Einkommen könnte man 50 Euro bekommen, von 2001 bis 3000 Euro Gehalt 35 Euro, bei höherem Einkommen 20 Euro. Dies könnte den Staat eine Milliarde Euro je Monat kosten, und insgesamt soll das Geld mindestens dreimal ausgezahlt werden.
»Wichtig ist, dass wir das Geld nicht mit der Gießkanne ausschütten, sondern diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt entlasten, denn die sind jetzt am stärksten betroffen«, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der »Bild am Sonntag«. »Ein Politiker wie ich kann für 2,30 Euro tanken, dem muss der Staat nicht helfen. Aber meine Nachbarin, die als Pflegekraft nach Hamburg pendelt, braucht jetzt Unterstützung.« Man müsse sozial gerecht und gezielt entlasten. »Und nicht nur bei den Spritpreisen, sondern auch bei Strom und Heizkosten.«
Lindner hatte vor einer Woche vorgeschlagen, alle Autofahrer direkt an der Tankstelle über einen staatlichen Zuschuss zu entlasten. Er will den Preis damit unter zwei Euro pro Liter Diesel oder Benzin drücken. Die FDP schreibt den Vorschlag ihres Finanzministers indes nicht ab. Fraktionschef Christian Dürr sagte der »Bild«-Zeitung: »Der Tankrabatt ist keinesfalls vom Tisch.« Bei den Beratungen seien »alle Modelle« weiterhin im Spiel.
DGB-Chef Hoffmann brachte zudem Geschwindigkeitsbegrenzungen ins Gespräch. »Wir könnten zeitlich begrenzt ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen und von 30 in den Städten einführen, um den Energieverbrauch zu drosseln«, sagte er den Funke-Zeitungen. »Es ist richtig, jeden Tropfen Benzin zu sparen, den wir sparen können.« Das sei aber noch keine Antwort auf die strukturellen Probleme, fügte er hinzu. »Wir müssen Energiesicherheit schaffen, und das gelingt vor allem mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien.«
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte auf seiner Reise auf die arabische Halbinsel staatliche Hilfen mit Anreizen zum Energiesparen verknüpft, wie es etwa bei einem Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen der Fall wäre. Zudem müsse eine staatliche Entlastung zielgenau Privatpersonen und Unternehmen adressieren, die sie dringend nötig hätten – eine indirekte Absage an Lindners Tankrabatt.
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