Im Kampf gegen die Pandemie geht es nun um die Frage, ob Deutschland den Weg von Österreich einschlägt. Das Nachbarland hat eine generelle Impfpflicht ab Februar 2022 angekündigt. In der Bundesrepublik gibt es quer durch die Parteien verfassungsrechtliche Bedenken. Allerdings scheint die Impfpflicht für Betreuungspersonal näherzurücken.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fürchtet eine „Endlosschleife mit diesem Mist-Corona“. Deshalb glaubt er, „dass wir am Ende um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen werden“.
Ähnlich klingt der Bundeschef der Jungen Union, Tilman Kuban (CDU). „Auch ich habe lange Zeit auf die Freiheit und Verantwortung des Einzelnen gesetzt und mich gegen eine Pflicht ausgesprochen, aber jetzt ist ein Punkt gekommen, an dem wir ganz klar sagen müssen: Wir brauchen eine De-facto-Impfpflicht und einen Lockdown für Ungeimpfte“, schreibt Kuban in einem Gastbeitrag für WELT.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hofft noch, dass es am Ende ohne allgemeine Impfpflicht geht. „Wenn nicht, bin ich allerdings auch bereit, diesen Schritt zu gehen“, sagte Günther im WELT-Interview.
Diese Haltung ist kein Konsens in der Union. „Einer allgemeinen Impfpflicht im Sinne einer Zwangsimpfung stehe ich sehr skeptisch gegenüber“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Thorsten Frei (CDU). Sie dürfte „wegen des schwerwiegenden Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit unter den derzeitigen Rahmenbedingungen auch unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig sein“.
Frei verweist allerdings auf besonders gefährdete Gruppen – etwa Kinder, die nicht geimpft werden könnten, oder Senioren, denen im Fall einer Infektion größere Risiken drohten. „Hier könnte der Staat zum Eingreifen verpflichtet sein. Insofern kann ich mir bereichsspezifische Impfnachweispflichten unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durchaus vorstellen“, erklärte Frei mit Hinweis auf die verpflichtende Masern-Impfung für Betreuungspersonal. „Eine analoge Regelung bei Covid-19 kann ich mir gut vorstellen. Jedenfalls sollten wir diese Frage ernsthaft diskutieren“, so Frei. Die Kommunalverbände fordern seit Längerem eine Teil-Impfpflicht.
„Sollte nicht leichtfertig angeordnet werden“
SPD, Grüne und FDP, die ihre Ampel-Koalitionsgespräche bald abschließen wollen, bleiben vorsichtig. Die SPD-Bundestagsfraktion wird am Montag in einer internen Videokonferenz das Für und Wider mit Wissenschaftlern, darunter auch dem Virologen Christian Drosten, diskutieren. „Gerade für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht scheint es überzeugende Argumente zu geben. Trotzdem ist die Impfpflicht, auch eine einrichtungsbezogene, ein gravierender Grundrechtseingriff, der nicht leichtfertig angeordnet werden sollte“, sagte SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese.
Die FDP schließt eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen offenbar nicht mehr aus. Deren Sorge, dass dann Pflegepersonal kündigt und sich der Pflegenotstand verschärft, scheint geringer geworden zu sein. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte dem „Tagesspiegel“, dass nun Gespräche mit Experten ausgewertet würden. „Wenn die Befürchtungen zum drohenden Personalverlust, die insbesondere auch immer wieder aus den Ländern zu hören waren, nicht mehr gelten, gibt es aus meiner Sicht keine fundamentalen Bedenken“, so Buschmann.
In der Grünen-Fraktion dürfte eine Bereitschaft zumindest zur Teil-Impfpflicht bestehen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt war vor einigen Tagen vorgeprescht und hatte eine Einigung in der Frage unter den Ampel-Parteien verkündet. Wenig später zog sie diese Aussage zurück und betonte, darüber werde noch beraten.
In der AfD-Bundestagsfraktion wird jede Form von Impfpflicht kategorisch abgelehnt. Dies wäre ein „weitreichender und unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Bürger“, sagte Fraktionschefin Alice Weidel. Die Entscheidung, ob man sich gegen das Coronavirus impfen lasse, müsse „auch in Zukunft jeder Bürger für sich selbst treffen können“.
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