
Angela Merkel und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (im September in Warschau)
Foto:MARCIN BANASZKIEWICZ/FOTONEWS / imago images/newspix
Heute startet der EU-Gipfel in Brüssel, es dürfte der letzte für die scheidende Kanzlerin Angela Merkel werden. Von einem entspannten Ausklingen kann aber keine Rede sein, auf die CDU-Politikerin und ihre EU-Kolleginnen und Kollegen wartet eine Menge Arbeit. Eins der heikelsten Themen: der Umgang mit Polen. Vor dem Auftakt des Gipfels haben die Grünen nun von Merkel einen deutlich härteren Kurs gegenüber dem Nachbarland in Fragen der Rechtsstaatlichkeit gefordert.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gefährde die EU-Mitgliedschaft seines Landes und stelle sich damit klar gegen die Mehrheit der Bürger, sagte die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner der Nachrichtenagentur dpa. »Es ist unverantwortlich, dass Merkel ihm weiter zur Seite steht, statt sich mit den Menschen auf der Straße zu solidarisieren.«
Der Streit über die polnischen Justizreformen und das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts in Warschau zur eingeschränkten Anwendung von EU-Recht werden zu den Hauptthemen des Gipfels am Donnerstag und Freitag gehören.
Der Disput hatte sich zuletzt immer weiter zugespitzt. Das Urteil des politisch besetzten Warschauer Verfassungstribunals, ergangen auf Antrag von Morawiecki, hat zentrale Teile des EU-Vertrags für unvereinbar mit der nationalen Verfassung erklärt. Es rüttelt am Fundament der EU – dem Prinzip, dass die Rechtsprechung der EU über der ihrer Mitgliedsländer steht.
Mehrere Länder sprechen sich für Sanktionen aus
Morawiecki hatte zuletzt bei einer Debatte im Europaparlament gesagt: »Die Kompetenzen der EU haben ihre Grenzen, wir können nicht länger schweigen, wenn sie überschritten werden.« Über allem steht das Szenario eines polnischen EU-Austritts, gegen den es in der Bevölkerung aber erheblichen Widerstand gibt.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen drohte Polen zuletzt mit Sanktionen, auch Länder wie die Niederlande, Belgien und Luxemburg dringen auf einen harten Kurs. Polen ist der mit Abstand größte Profiteur von EU-Mitteln, allein 2019 hat das Land unter dem Strich zwölf Milliarden Euro aus den Brüsseler Töpfen bekommen.
Merkel setzt hingegen auf Dialog. Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr: Mitte Dezember, wenn das nächste Treffen der Staats- und Regierungschefs stattfindet, könnte die neue Bundesregierung bereits im Amt sein.
Grüne spricht von Einfrieren der EU-Gelder
»Die nächste Bundesregierung muss sich viel stärker für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa einsetzen und sie mit allen Mitteln verteidigen«, forderte nun die Grünen-Politikerin Brantner, deren Partei der nächsten Regierung höchstwahrscheinlich angehören wird. »Dazu gehört auch, an die EU-Kommission zu appellieren, die EU-Gelder einzufrieren, bis die Grundlage der Zusammenarbeit, nämlich die Rechtsstaatlichkeit, wieder gesichert ist.«
Der EU-Gipfel müsse deutliche Worte an die polnische Regierung richten, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete. »Die Grundwerte der EU sind nicht verhandelbar, hier darf es keine faulen Kompromisse geben. Eine funktionierende Justiz ist nicht allein Angelegenheit der Mitgliedstaaten, sondern die Basis für eine EU-Mitgliedschaft.«
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