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Türkisch-Deutsche Universität in der Kritik: „Lobbyeinrichtung des Erdogan-Regimes“ - WELT

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wählte feierliche Worte, als im Januar vergangenen Jahres der neue Campus der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) in Istanbul eröffnet wurde. „Je größer die wissenschaftliche Freiheit ist, umso größer ist auch der wissenschaftliche Ertrag“, sagte Merkel in ihrer Festrede. Man könnte den Satz rückblickend auch als Mahnung verstehen.

In der vergangenen Woche berichtete die türkische Zeitung „Cumhuriyet“, dass die TDU den international anerkannten Migrationsforscher Mehmet Murat Erdogan angezeigt habe. Der Wissenschaftler hatte bei Twitter regierungsnahe „Trolle“ kritisiert, die jede außenpolitische Kehrtwende der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan feiern würden.

Die Universität teilte daraufhin mit, die Meinungsfreiheit gebe dem Professor nicht die Befugnis, andere zu beleidigen, „insbesondere die Regierung und ihre Mitglieder“. Gegen den Wissenschaftler seien rechtliche Verfahren eingeleitet worden.

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Der Politologe und Türkeiforscher Burat Copur aus Essen kritisiert das Vorgehen der Universität im Gespräch mit WELT scharf. „Statt sich hinter ihren Mitarbeiter zu stellen, leitet das Rektorat eine Untersuchung gegenüber Professor Erdogan ein.“ Dies zeige einmal mehr, dass die Türkisch-Deutsche Universität keine freie Universität im klassischen Sinne, sondern eine „politisierte Lobbyeinrichtung des Erdogan-Regimes“ sei.

Denn gleichzeitig, kritisiert Experte Copur, dürfe mit Taceddin Kutay ein Forscher an der Universtität lehren, „der wegen seiner homophoben, sexistischen und rechten Ansichten“ aufgefallen sei. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte im März berichtet, Kutay habe Homosexualität als „Perversion" bezeichnet. Er trete immer wieder als regierungsnahe Stimme in Talkshows auf. Während einer Diskussionsrunde des AKP-Thinktanks Seta habe er behauptet, die Deutschen würden den Islam allenfalls „als kulturelle Vielfalt, wie im Zoo“ akzeptieren.

Copur sieht die Bundesregierung in der Pflicht. Denn auch Steuergelder würden den akademischen Betrieb fließen. „Wie kann es sein, dass trotz dieser Skandale eine solche Universität mit vier Millionen Euro durch den deutschen Steuerzahler finanziert und diese Finanzierung nicht eingestellt wird, bis diese Skandale an dieser Universität aufhören?“

BMBF über Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit besorgt

Ein Sprecher des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) teilte auf Anfrage mit, man beobachte die „Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit in der Türkei und anderen Ländern mit zunehmender Sorge“. Der betroffene Professor Erdogan habe nach Kenntnissen der Bundesregierung sein Amt als Institutsleiter niedergelegt. Seine Professur an der TDU sei davon nach bisheriger Kenntnis nicht betroffen.

Nach Auffassung des BMBF sei fraglich, ob die bislang bekannt gewordenen Äußerungen des Wissenschaftlers strafrechtliche oder disziplinarische Konsequenzen rechtfertigen würden. „Die Wissenschaftsfreiheit ist ein nicht verhandelbares, konstitutives Element einer Hochschule“, erklärte der Sprecher.

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Die TDU wird größtenteils von der Türkei finanziert. Das BMBF gibt an, es fördere über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) das Konsortium der deutschen Partnerhochschulen sowie von Deutschland entsandtes Lehrpersonal, Studien- und Forschungsaufenthalte in Deutschland und Studienstipendien an der TDU. Ein unmittelbarer deutscher Einfluss auf Stellenbesetzungen türkischer Hochschulangehöriger sei damit aber nicht verbunden.

Der DAAD hatte in der vergangenen Woche bei Twitter geschrieben, man sei „in direkter Kommunikation mit der Leitung der TDU“ und habe die eigene Position in der Causa des angezeigten Professoren deutlich gemacht. „Es handelt sich jedoch um eine laufende Angelegenheit, sodass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Stellungnahmen abgeben können.“

Bereits im Jahre des Putschversuches 2016 hatte eine Entlassungswelle bei der TDU für Aufsehen gesorgt. Merkel lobte die Türkisch-Deutsche Universität in ihrer Festrede dennoch als „Juwel in den Beziehungen unserer beiden Länder und ein Glück für unsere beiden Gesellschaften“.

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