Und was machen nun die Söder-Fans? – Seite 1
Eine Spitze, mehr ein ganzes Bündel an Spitzen Richtung Berlin kann sich Markus Söder auch jetzt nicht verkneifen. Am Mittag gratuliert er dem CDU-Chef: "Die Würfel sind gefallen, Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union." Fast unterwürfig bietet der CSU-Chef seinem Kontrahenten dann sogar noch seine Unterstützung an.
Aber dass dies eine Niederlage für die Bayern sein könnte? I wo. Für sein "Angebot", für die Union in den Wahlkampf zu ziehen, habe er "gerade bei den Jungen, bei den Modernen" in der CDU "unglaublich viel Zuspruch" bekommen, so Söder. In der Fraktion hätten sich viele "mutige Abgeordnete" gegen die Parteisolidarität und für ihn ausgesprochen. Und sein Generalsekretär Markus Blume schiebt noch nach: Söder sei der "Kandidat der Herzen".
Ja, Laschet wurde nach stundenlangem Gewürge in der Nacht vom CDU-Vorstand mit 77,5 Prozent zum Kanzlerkandidaten bestimmt. Und ja: Formal akzeptiert Söder diese Wahl. Er hatte ja selbst am Vortag dem CDU-Vorstand diese finale Entscheidung angetragen. Er stehe bereit, aber die "große Schwester" müsse entscheiden, hatte er gesagt.
An seiner Überzeugung, wer der geeignetere Kandidat wäre, ändert das aber nichts. Und daran lässt Söder auch alle teilhaben. Der CSU-Chef habe gezeigt, welche Zugkraft er entfalten könne, sagt auch Blume. Was in Kenntnis des bayerischen Selbstbewusstseins frei übersetzt soviel heißt wie: Ihr wolltet mit dem Twingo statt mit dem BMW in den Wahlkampf? Dann bitte, Eure Verantwortung!
Laschet schaltet in den Wahlkampf
Schnell, wie um zu vermeiden, dass es sich Söder oder jemand aus seinem Lager womöglich noch mal anders überlegt, beruft Laschet kurz darauf seinerseits eine Pressekonferenz ein – um die Prokura aus München anzunehmen. Über die Sticheleien sieht er hinweg. Spätestens jetzt, wo er offiziell der Kandidat ist, muss er sich ja auch benehmen wie ein Kanzler. Also eine Kanzlerrede mit diesen Eckdaten: Europa wichtig, Polarisieren ganz schlecht, Modernisierungsschub muss her.
Nur kurz hält er sich mit der Rückwärtsbetrachtung auf: "Wir haben in den vergangenen Tagen eine sehr offene Debatte geführt", so Laschet. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht." Das kann man so umschreiben. Man könnte auch sagen: Dem Parteichef wurde in der vergangenen Woche deutlich gezeigt, wie wenig ihm weite Teile seiner Partei wirklich zutrauen. Von der Schwesterpartei gar nicht zu sprechen.
Und weil ja nichts so sehr eint wie ein gemeinsamer Gegner, geht die CDU-Spitze um Laschet direkt in den Wahlkampf über. Es gehe jetzt darum, den Kurs der Mitte fortzusetzen, "oder ob das Land von Linksbündnis regiert wird", so CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Laschet oder die Linken also. Da, so wohl das Kalkül, werden sich ja auch die Söderianer für den sonst eher blassen Rheinländer erwärmen müssen. Auch andere Spitzenpolitiker wie etwa der Fraktionschef im Bundestag, Ralph Brinkhaus, betonen, jetzt müsse man nach vorne schauen. Der Gegner sei Grün-Rot-Rot – und nicht innerhalb der Union zu suchen.
Die Frage ist, ob das so einfach geht. Jetzt Team Laschet zu sein, in den Wahlkampfmodus zu schalten – und die internen Zerwürfnisse einfach zur Seite zu schieben. Und das, nachdem man sich bis gestern noch ausführlich an dessen Nachteilen abgearbeitet hatte?
Die Union beweist ihre Disziplin – vorerst
Was machen nun all jene Christdemokraten, die sich mit Verve zu Söder bekannt haben? Die sich durchgerungen haben, ihrem Vorsitzenden offen oder versteckt zu widersprechen. Kommt der Aufschrei der Basis? Volker Bouffier, Hessens erfahrener Ministerpräsident, hatte noch – obgleich selbst für Laschet – genau davor gewarnt: Die Basis werde es nicht so einfach schlucken, wenn man sich über deren Wunsch hinwegsetzt.
Aber bislang ist der ganz große Aufschrei ausgeblieben. Eine Revolution hat noch keiner in der CDU angekündigt. Auch der Chef der mächtigen Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, sagte vor der Sitzung am Nachmittag: "Wichtig ist jetzt Pandemie, Pandemie, Pandemie." An einer ausufernden Kandidatendebatte der Abgeordneten wie vor einer Woche hat er ganz offensichtlich kein Interesse.
Das passt in gewisser Hinsicht zu der in Normalzeiten sehr disziplinierten Partei, die stärker als so manche linke Konkurrenz nach klaren Hierarchieregeln funktioniert. Es könnte sein, dass Laschets Kalkül aufgeht. Dass die Union nun pragmatisch und machtorientiert dem Votum ihres Vorstands folgt, anstatt sich öffentlich zu zerstreiten. Nicht undenkbar, dass die, die zu Söder geschwenkt sind, nun wieder zu ihm zurückschwenken.
Man rechne mit "bösen Mails"
Und tatsächlich betonen am Dienstag viele Söder-Anhänger aus der CDU plötzlich wieder, wie wichtig Disziplin und Geschlossenheit ist. Wirtschaftsminister Peter Altmaier etwa, der sich ebenfalls am Abend überraschend offen pro Söder positioniert hatte, twitterte: Der getroffenen Entscheidung "sollten wir uns nun alle verpflichtet fühlen!"
Ähnlich versöhnliche Töne kamen prompt auch aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt, der vehement für Söder getrommelt hatte. In gut sechs Wochen wird dort der nächste Landtag gewählt, von Laschet erhoffen sie sich wenig Rückenwind. Der Landesvorsitzende Sven Schulze sagte nun zwar nicht euphorisch, aber doch anerkennend: "Jetzt geht es mit Armin Laschet in die Bundestagswahl." Gut wäre es, nun wenigstens Friedrich Merz einzubinden, wünscht er sich. Ähnlich das Bild in Sachsen. Dort war dem Vernehmen nach die Basis ebenfalls pro Söder. "Jetzt geht’s als Mannschaft mit Armin Laschet in den Wahlkampf", schreibt der Generalsekretär der sächsischen Union.
Aus der Thüringer CDU, die offiziell ebenfalls pro Söder war, ist zu hören: Auch eine Kandidatur des Bayern hätte Probleme an der Basis mit sich bringen können. Ja, man rechne jetzt mit "bösen Mails". Aber die hätte es im anderen Fall auch gegeben.
Zumindest die Spitzenpolitiker der Union, das zeigt all das, wollen die Diskussion beenden. Ungehalten sind einzelne Abgeordnete. So nannte etwa der sachsen-anhaltinische Landtagsabgeordnete Guido Heuer aus Wanzleben die Kür Laschets eine "Katastrophe". Die Basis der Partei sei düpiert.
Die Spitze der Jungen Union, die sich ebenfalls spät auf Söders Seite gestellt hatte, versucht nun beides: Ein bisschen die Wut der Basis zu artikulieren und gleichzeitig beizudrehen. Ihr Vorsitzender, Tilman Kuban, betont auf Facebook noch einmal, dass seine Vereinigung sich Söder als Kanzlerkandidaten gewünscht hätte. Aber, schreibt Kuban, seine JU wisse auch: "Gewinnen werden wir nur, wenn wir als Union geschlossen auftreten." Andere, wie Laschets Rivale Norbert Röttgen, wollen sich am Dienstag zu der Causa auch auf Nachfrage nicht mehr äußern.
Fast am freundlichsten reagierten die Konkurrenzparteien auf die Unionsentscheidung. Er freue sich auf "eine sachliche Debatte über Inhalte und den Wettstreit um die besten Ideen für unser Land" mit Laschet, twitterte der SPD-Kandidat Olaf Scholz. Und Volker Wissing, der FDP-Generalsekretär, lobte das "Stehvermögen" Laschets. Es klang ein wenig gönnerhaft, fast erleichtert, dass man sich nicht mit Söder herumschlagen muss. Aber immerhin doch netter als vieles, was Laschet zuletzt aus der Union gehört hat.
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