Morgens allein durch die Straßen flanieren, während die Läden gerade erst öffnen, der Stille lauschen auf ansonsten überfüllten Plätzen, sich Zeit lassen in Museen, die, so scheint es, ihre Tore nur für uns geöffnet haben.
Stellen Sie sich den Markusplatz vor mit seiner marmornen Weite, ohne Touristenmassen, ohne Kreuzfahrtschiffe als Kulisse.
Stellen Sie sich den Louvre vor ohne endlose Schlangen am Eingang, die Mona Lisa ohne eine Wand aus iPhones, die Ihnen die Sicht versperrt. Stellen Sie sich all diese mythischen Städte ohne Massentourismus vor.
Ein alter Traum, den ich diesen Sommer verwirklicht habe ... als Touristin! Ich habe mir Prag ausgesucht.
1989 war Prag eine Stadt in Schwarz-Weiß
Das letzte Mal war ich im Februar 1989 dort, wenige Monate vor der Samtenen Revolution und dem Sturz des kommunistischen Regimes. Es war Winter, es war bitterkalt, und die Dächer waren wie mit Puderzucker überzogen. Ich erinnere mich an eine Stadt in Schwarz-Weiß, an dunkle Straßen, in denen es nur wenige Geschäfte gab, und an die Karlsbrücke, von einigen Pragern auf dem Weg zur Arbeit überquert. Eine Stadt, die hinter dem Eisernen Vorhang vom Rest der Welt abgeschnitten war, aber eine richtige Stadt. Diesen ersten Zauber habe ich nie vergessen.
Dann las ich immer häufiger, Prag sei am Ersticken. Amerikaner und Japaner würden die Stadt auf der Suche nach dem Charme des alten Europas überrollen. Und an den Wochenenden werde die Stadt von grölenden Partygängern aus Deutschland und England heimgesucht, die sich mit moldawischem Bier volllaufen ließen.
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Ich las, dass man sich auf der Karlsbrücke zwischen Feuerschluckern und Akkordeonspielern hindurchkämpfen müsste, und dass Droschken und Oldtimer Touristen durch die Neustadt kutschierten. In der Altstadt ein kitschiger Souvenirladen neben dem anderen. Mac Donald und Marks & Spencers, die Jugendstilfassaden entstellen. Ein höllisches Disneyland. Acht Millionen Touristen kamen letztes Jahr nach Prag. Berlin ist dreimal so groß und hat weniger Besucher. Ich schwor mir, nie wieder nach Prag zurückzukehren.
Endlich Nachdenken über sanften Tourismus
Bis ein kleines (und sollte ich wagen zu sagen, wundersames) Virus die Stadt ihren Bewohnern zurückbrachte. „Man hört wieder das Geräusch des Wassers unter der Karlsbrücke“, freuen sich die alten Prager, die sich wieder auf ihre Brücke wagen. Auf den Straßen ein paar verstreute Europäer, vor allem aber tschechische Touristen. Ohne Zweifel ist die Pandemie eine Katastrophe für die Tourismusindustrie. Die Hotels sind leer und die Restaurants machen nur einen Bruchteil ihres üblichen Umsatzes.
Doch Covid-19 lässt Prager, Venezianer und Pariser zur Besinnung kommen. Sie denken über einen Tourismus nach, der ihre Stadt nicht kaputtmacht und ihre Gemeinschaft nicht zerstört. Wie kann dem Lärm Einhalt geboten werden, der Umweltverschmutzung, den explodierenden Immobilienpreisen und dem Verschwinden der Geschäfte des täglichen Bedarfs in den Innenstädten?
Paris hat vor einiger Zeit beschlossen, Airbnb zu beschränken, damit wieder mehr Wohnraum für die Stadtbewohner zur Verfügung steht. In Prag fragt man sich, ob es wirklich notwendig ist, einen neuen Flughafen zu bauen. In Venedig, wo 500 Touristen (!) auf einen Einwohner kommen, sollen Kreuzfahrtschiffe verboten werden.
Aber muss wirklich erst ein Virus kommen, damit wir unsere Städte von den Auswüchsen des Tourismus befreien?
Übersetzung aus dem Französischen: Odile Kennel
August 02, 2020 at 10:07PM
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Weniger Touristen in Corona-Zeiten: Ich schwor mir, nie wieder nach Prag zurückzukehren – und dann kam Corona - Tagesspiegel
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Tourismus
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