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„An die Grenzen gegangen“: Für Meyer Werft kommen nun Stellenabbau und Firmensitz-Verlegung - Merkur.de

Die angeschlagene Meyer Werft hat einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunft gemacht. Ein Stellenabbau und ein Standortwechsel sind Teil der Einigung.

Papenburg/Hannover – Die Geschäftsführung, der Betriebsrat und die IG Metall haben sich auf wesentliche Aspekte der Restrukturierung der in Schwierigkeiten geratenen Meyer Werft geeinigt. In einer Rahmenvereinbarung stimmten die Arbeitnehmervertreter dem Abbau von 340 Arbeitsplätzen zu, der idealerweise ohne betriebsbedingte Entlassungen durchgeführt werden soll.

Ende Juni hatte der Ex-Betriebsratschef der Meyer Werft, Nico Bloem, die Situation drastisch beschrieben: „Das Unternehmen hat schon das ein oder andere Tief gehabt, aber aktuell befindet sich die Meyer Werft in der schwersten Krise seit ihrem Bestehen.“ Dabei hatte er nicht nur die äußeren Umstände, sondern auch Fehler in der Unternehmensführung für die Situation verantwortlich gemacht.

Meyer Werft erhält Aufsichtsrat und Konzernbetriebsrat – Firmensitz bald wieder in Deutschland

Die Firmenleitung stimmte der Gründung eines Aufsichtsrats und eines Konzernbetriebsrats zu. Darüber hinaus soll der Unternehmenssitz von Luxemburg zurück nach Deutschland verlegt werden, wie Vertreter von Gewerkschaft, Betriebsrat und Geschäftsführung am Mittwoch, 3. Juli, auf einer Pressekonferenz in Papenburg bekannt gaben.

Bis Ende 2030 soll laut Vereinbarung eine Belegschaft von mindestens 3.100 Mitarbeitern, darunter mindestens 1.200 Tarifmitarbeiter, gewährleistet sein. Jährlich sollen mindestens 45 Auszubildende und neun duale Studenten eingestellt werden. Erst kurz vor der Pressekonferenz hatte sich Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geäußert und auf den Ernst der Lage an der Ems hingewiesen.

Abbau der Arbeitsplätze bei der Meyer Werft fällt weniger drastisch aus als befürchtet

Der Abbau der Arbeitsplätze soll in mehreren Phasen erfolgen, erklärte der Betriebsratsvorsitzende Andreas Hensen. Zunächst sollen 100 befristete Stellen auslaufen, die restlichen Stellen sollen nach Möglichkeit über ein Freiwilligenprogramm abgebaut werden. Die Belegschaft wurde am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung informiert, so Hensen. „Man hat die Anspannung zu Beginn gemerkt, aber auch die Erleichterung zum Schluss.“

Meyer Werft

Das weltweit für seine Kreuzfahrtschiffe bekannte Traditionsunternehmen durchlebt derzeit die schwerste Krise seiner über 200-jährigen Geschichte. Bis Ende 2027 müssen mehr als 2,7 Milliarden Euro finanziert werden, davon entfallen 400 Millionen Euro auf eine notwendige Erhöhung des Eigenkapitals, erklärte der Chefsanierer Ralf Schmitz. Er betonte, dass die restlichen 2,3 Milliarden Euro für die Vorfinanzierung von zwei Neubauten benötigt werden, für die Bürgschaften des Landes und des Bundes erforderlich sind. Es handele sich nicht um Subventionen.

Schmitz hatte Ende Mai einen Stellenabbau von mehr als 400 Stellen gefordert. Es sei gelungen, in den Verhandlungen Vertrauen zwischen beiden Seiten aufzubauen, sagte er. „Ich habe selten eine so emotionale Situation erlebt. Wir sind an die Grenzen gegangen und haben eine Lösung gefunden, die auch verträglich ist.“

Chefsanierer Ralf Schmitz glaubt an Meyer Werft – doch es muss noch viel passieren

Das Unternehmen habe noch einen langen Weg vor sich, sagte Schmitz. Es müsse profitabler werden, das Ergebnis müsse sich um 200 Millionen Euro verbessern. „Ich glaube an das Unternehmen, und ich glaube an die Produkte“, sagte er. Dies sei eine wichtige Voraussetzung für die Zukunft des Unternehmens.

Pressekonferenz zur Zukunft der Meyer Werft

Der Geschäftsführer des Unternehmens, Bernd Eikens, sagte, die Einigung sei ein wichtiger Baustein für die Zukunft des Unternehmens und der Belegschaft. „Er ist aber auch nur ein Schritt, und in den nächsten Tagen werden weitere Schritte erfolgen müssen“, sagte Eikens, der seit Dezember letzten Jahres an der Spitze des Konzerns steht. Es gehe um die Zukunft des Unternehmens, der Mitarbeiter und der Zulieferer in der Region und darüber hinaus. Die Familie Meyer habe jahrelang in das Wachstum der Werft investiert. „Heute ist die Bedeutung der Meyer Werft für die Region und den maritimen Standort Deutschland nicht hoch genug einzuschätzen.“

Ex-Betriebsratschef Bloem hatte zuletzt gesagt, mit der Werft hängen direkt und indirekt zwischen 18 000 und 20 000 Arbeitsplätze zusammen. Ohne den Fortbestand des Betriebs „wäre es zappenduster“ in der Region rund um Papenburg.

Trotz Wettbewerbsnachteilen konnte sich die Werft, die vor allem für den Bau von Kreuzfahrtschiffen bekannt ist, international durchsetzen. Eikens sagte jedoch auch: „Die Meyer Werft muss und wird profitabler werden. Unser Ziel ist es, besser als unsere Mitbewerber zu werden - auch, was die finanziellen Kennzahlen angeht.“ Die Aussichten in der Branche für den Kreuzfahrtschiffbau seien gut, es werde ein Wachstum von 6 Prozent im Markt in den nächsten zehn Jahren erwartet, sagte der Manager.

Wenn die Meyer Werft nicht mehr da ist, ist das ein Schlag für die maritime Wirtschaft insgesamt.

Chefsanierer Ralf Schmitz

Schmitz sagte, über einen Investorenprozess könne seiner Einschätzung nach erst 2026 oder 2027 gesprochen werden. Für die bis dahin notwendige Eigenkapitalerhöhung müssten Personen oder Institutionen angesprochen werden, die kurzfristig bereit seien, Kapital in das Unternehmen zu geben. Denkbar seien Geldgeber aus der Branche, aber auch aus dem Kundenkreis. Die Werft sei Technologieführerin in der maritimen Wirtschaft und wichtig für die Branche. „Wenn die Meyer Werft nicht mehr da ist, ist das ein Schlag für die maritime Wirtschaft insgesamt“, betonte Schmitz. „Wir reden daher von über 20 000 Betroffenen, wenn es bei der Meyer Werft kein gutes Ende nimmt“, sagte er.

Die IG Metall forderte ein klares Bekenntnis und Hilfe von der Bundesregierung. „Wir haben uns hier zusammengerauft, wir haben hart gerungen, haben eine vernünftige Einigung bekommen. Trotzdem ist die Werft damit nicht gerettet“, sagte Heiko Messerschmidt vom IG-Metall-Bezirk Küste. Dafür sei Hilfe der Bundesregierung nötig. „Jetzt brauchen wir entsprechende Signale aus Berlin, und die müssen sehr, sehr schnell kommen“, sagte er. Das sei nötig für den Erhalt der Werft und der Arbeitsplätze.

Kundgebung vor dem Werkstor der Meyer Werft

Gewerkschaft und Beschäftigte seien auch bereit, in Berlin Druck zu machen und „notfalls“ auch auf die Straße zu gehen, um die Bedeutung der Meyer Werft zu verdeutlichen. „Es ist eben nicht die Meyer Werft, sondern es ist der Kern des zivilen Schiffbaus, und der darf nicht fallen“, sagte Messerschmidt.

Der Wirtschaftsminister von Niedersachsen, Olaf Lies (SPD), sprach von der Chance für einen Neustart. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, Sebastian Lechner, bezeichnete die Verständigung als einen ersten wichtigen Schritt für den Erhalt der Meyer Werft und damit für den Schiffsbau in Deutschland insgesamt. Bei der Politik in Niedersachsen stand und steht die Rettung der Meyer Werft weit oben auf der Agenda.

Die Eigentümerfamilie sicherte zu, den Restrukturierungskurs zu unterstützen. „Die perspektivische Bildung eines Aufsichtsrats tragen wir mit und sind überzeugt, dass es in diesem Gremium eine konstruktive, vorausschauende Zusammenarbeit geben wird“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme von Firmenpatriarch Bernard Meyer und seinen Söhnen Tim, Jan und Paul, die die Werft verbreitete. (dpa)

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