Bundesjustizminister Marco Buschmann hält Vorkehrungen zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Verfassungsfeinden für sinnvoll. Entsprechende Vorschläge würden auch bereits diskutiert, sagte der FDP-Politiker. »Als Demokraten haben wir die Verpflichtung, wachsam zu bleiben.« Dazu gehörten auch Überlegungen, wie das Grundgesetz und seine Institutionen bestmöglich vor »verfassungsfeindlichen Einflüssen« geschützt werden könnten. Das Bundesverfassungsgericht als Hüterin der Verfassung habe da eine ganz besondere Stellung.
»Es werden bereits Gespräche geführt, wie dies wirksam gelingen kann«, sagte Buschmann. Es brauche dazu insgesamt eine sorgfältig geführte, breit angelegte Debatte. Die vielfältigen Ideen, die derzeit diskutiert würden, lieferten dafür wertvolle Beiträge.
Mehrere Politiker von SPD, Grünen, Union und FDP hatten sich in den vergangenen Tagen für Änderungen ausgesprochen. Unter anderem wird überlegt, Strukturen des Gerichts im Grundgesetz zu verankern, da diese dann nur mit einer Zweidrittelmehrheit verändert werden könnten.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Johannes Vogel, sagte dem SPIEGEL: »75 Jahre Grundgesetz sind eine gute Gelegenheit zu prüfen, ob Regeln, die sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt haben, mit Verfassungsrang versehen werden sollten«. Wehrhafte Demokratien zeichneten sich dadurch aus, dass diejenigen Mechanismen, die sie vor Angriffen schützen, sicher seien.
»Wie relevant das ist, zeigen etwa die Erfahrungen unserer polnischen Nachbarn. Dort wurde politische Einflussnahme durch Manipulation der Regeln von der PiS-Partei unternommen. Davor sollten wir unsere Demokratie in jedem Fall schützen«, so Vogel weiter.
Auch Till Steffen (Grüne), Bundestagsabgeordneter für Hamburg, forderte Gespräche. »Das ist kein Partei- oder Ampelprojekt. Das Bundesverfassungsgericht zu schützen, ist ein Anliegen aller Demokraten. Wir werden uns für vertrauensvolle und zügige Gespräche einsetzen«, sagte Steffen dem SPIEGEL.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, bestätigte dem SPIEGEL gegenüber, dass Gespräche laufen. »Wir starten jetzt in die Verhandlungen, und ich bin zuversichtlich, dass wir eine breite Mehrheit für eine gute Lösung bekommen«, so Fechner.
Zwar ist im Grundgesetz festgelegt, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Aufgaben und seiner Position nicht beeinträchtigt werden darf. Details zur Anzahl der Richterinnen und Richter, zur nötigen Zweidrittelmehrheit für ihre Wahl, zum Ausschluss der Wiederwahl und dazu, dass sich das Gericht selbst eine Geschäftsordnung gibt, stehen jedoch nicht im Grundgesetz. Sie finden sich in einem separaten Gesetz: dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. Und deshalb wird derzeit über Rechtsänderungen diskutiert.
Denn der Bundestag kann solche Gesetze mit einfacher Mehrheit beschließen oder ändern. Für Änderungen des Grundgesetzes sind die Hürden höher. Wenn nun erwogen werde, die bestehenden Regelungen auch ins Grundgesetz zu schreiben, gehe es vor allem darum, sie »änderungsfester« zu machen, formulierte der Bielefelder Verfassungsrechtler Christoph Gusy. »Das Grundgesetz ist bislang sehr sparsam, was das Bundesverfassungsgericht angeht.«
Unter der Überschrift »Mehr Widerstandskraft« hatten die ehemaligen Verfassungsrichter Gabriele Britz und Michael Eichberger in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vor ein paar Wochen Änderungen gefordert: Dem einfachen Zugriff des Gesetzgebers sollten jene Strukturen des höchsten deutschen Gerichts entzogen werden, die für dessen Funktionsfähigkeit, Unabhängigkeit und zur Verhinderung einseitiger Besetzung wesentlich sind. »Das entspricht seiner Stellung als Verfassungsorgan und stärkt seine Widerstandsfähigkeit gegen unwägbare politische Entwicklungen.« In den vergangenen Tagen nahm die Debatte Fahrt auf.
In der »Welt am Sonntag« regten Vertreter von SPD und FDP an, Strukturen des Karlsruher Gerichts im Grundgesetz zu verankern und Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ebenfalls nur mit Zweidrittelmehrheit zu ermöglichen. Vertreter der Union signalisierten Gesprächsbereitschaft. Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte, seine Fraktion sei gespannt, ob es seitens der Ampelkoalition »hier bald konkretere Vorschläge gibt«.
Konkret geht es hierzulande um die Sorge, angesichts von Umfragewerten von 20 bis 30 Prozent könne die AfD an Einfluss gewinnen. Diskutiert wird auch, ob dann ein dritter Senat mit neuen Richtern und Richterinnen eingerichtet werden könnte. Dieser könnte dann über wichtige – gerade parteipolitisch geprägte – Streitfälle entscheiden.
Die Debatte über das Bundesverfassungsgericht, das einer aktuellen Umfrage zufolge in der Bevölkerung großes Vertrauen genießt, sei auch für die Länder interessant, sagte Verfassungsrechtler Gusy. Er verwies unter anderem auf Bayern, wo der Landtag jüngst trotz Vorbehalten 15 ehrenamtliche Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gewählt hat – darunter AfD-Kandidaten. Hintergrund ist eine Regelung, wonach alle Fraktionen Kandidaten benennen dürfen und im Block abgestimmt wird.
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