Zu Silvester verzeichnen Rettungskräfte und Polizei immer mehr Einsätze als in anderen Nächten. In diesem Jahr haben sich die Helfer jedoch in mehreren Regionen sogar auf Großlagen vorbereitet: Hinweise auf Terrorgefahr für den Kölner Dom, mögliche gewalttätige Ausschreitungen mit Bezug zum Nahostkonflikt und die Krawalle der Silvesternacht des vergangenen Jahres in Berlin waren der Auslöser dafür. Dort spricht die Polizeipräsidentin Barbara Slowik von einem der größten Einsätze in den vergangenen Jahrzehnten.
Besonders streng sind die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Kölner Dom. Grund ist, dass Sicherheitsbehörden Hinweise auf einen möglichen Anschlagsplan einer islamistischen Gruppe erhalten hatten. Nach Angaben der Kölner Polizei hatten sie sich auf Silvester bezogen. Ein 30-Jähriger wurde "zur Gefahrenabwehr" in Gewahrsam genommen. Der Tadschike wird verdächtigt, den Dom ausgespäht zu haben.
Der Mann soll im Zentrum eines größeren Netzwerks gestanden haben. Dieses Geflecht umfasse auch Personen in anderen Bundesländern und in anderen europäischen Staaten, sagte der Kölner Polizeipräsident Johannes Hermanns am Sonntag. Am Sonntagvormittag seien drei weitere Personen festgesetzt worden. Die Zugriffe seien in Duisburg, Herne und in Nörvenich im Kreis Düren erfolgt. Dort seien auch Wohnungen durchsucht worden. Der Anschlag habe mit einem Auto verübt werden sollen.
Kardinal Rainer Maria Woelki dankte zu Beginn des Silvestergottesdienstes den zahlreichen Menschen, die trotz der bedrohlichen Meldungen und der strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Dom gekommen waren. Einen Dank sprach er auch den Sicherheitskräften aus, die durch ihren Dienst die Feier des Gottesdienstes ermöglichten und auch das Grundrecht auf freie Religionsausübung sicherten. Es habe keine größeren Einsätze rund um die Kathedrale gegeben, hieß es von der Polizei gegen 23 Uhr.
Bis zum frühen Abend war es in den Leitstellen im Rest des Landes ebenfalls verhältnismäßig ruhig. Die für den Jahreswechsel üblichen Unfälle mit Feuerwerkskörpern kamen dennoch vor.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner kündigte zu Beginn der Silvesternacht ein hartes Vorgehen bei Randale und Ausschreitungen an. "Heute ist die Nacht, wenn's denn notwendig ist, die Nacht der Repression, wo der Rechtsstaat sich versuchen wird, durchzusetzen", sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch einer Polizeiwache auf der Sonnenallee - während im Hintergrund Böller zu hören waren. Mehr als 3000 Polizisten waren im Einsatz.
Der X-Feed der Berliner Polizei sah am Abend zunächst recht normal aus für eine Silvesternacht. "In Friedrichshain werfen Personen aus dem Erdgeschoss Böller in den Innenhof. Sollen wohl illegale Böller sein", stand da etwa zu lesen. Oder "In Moabit legen Menschen Feuerwerksbatterien auf die Straße und feuern sie auf Autos ab. Danach gehen sie in einen Laden und holen Nachschub."
Über den High-Decks im Süden Neuköllns, einem der Hotspots der Berliner Krawalle im vergangenen Jahr, kreiste gegen 20 Uhr ein Hubschrauber. Ein SZ-Reporter berichtete von vielen vermummten Beamten auf den Straßen und circa 30 Mannschaftswagen.
In Teilen der sich dort befindenden Sonnenallee richtete die Polizei Böllerverbotszonen ein, um die Lage zu beruhigen, offenbar mit Erfolg. Über mehrere hundert Meter wurden die Gehwege am Silvesterabend mit Gittern abgesperrt, auch die Durchfahrt für den Autoverkehr wurde gestoppt. Ganze Kreuzungen hatte die Polizei mit Scheinwerfertürmen ausgeleuchtet. An beleuchteten Eingängen mussten alle Menschen, die in die Böllerverbotszone wollten, ihre Taschen vorzeigen, um zu beweisen, dass sie kein Feuerwerk dabeihaben.
Die Lage sei "relativ entspannt", sagte eine Polizeisprecherin gegen 20.30 Uhr. Die Sonnenallee sei "ganz, ganz ruhig", rund um die eingerichtete Böllerverbotszone werde "sehr verhalten" Feuerwerk gezündet. "Es gibt bis dato keine Schwerpunktbildung in dieser Stadt", so die Polizeisprecherin.
Wenig später twitterten die Beamten dann doch über einen Vorfall, bei dem Polizisten angegriffen worden sein sollen. In der Nähe des Alexanderplatzes bewarfen sich demnach etwa 500 Menschen mit Pyrotechnik. Die Polizei habe die Gruppe am Neptunbrunnen auseinandergetrieben und nach Feuerwerk kontrolliert, schrieben die Beamten auf X. "Aus einer circa 200-köpfigen Gruppe, die sich an den Rathauspassagen aufhielt, wurden unsere Einsatzkräfte mit Pyro beschossen", hieß es weiter. Es habe Festnahmen gegeben.
Im Neuköllner Stadtteil Gropiusstadt sei ein geparkter Polizei-Einsatzwagen durch die Explosion einer Kugelbombe stark beschädigt worden, so die Polizei. Zu dem Zeitpunkt waren allerdings keine Polizisten im Fahrzeug.
Gegen 23 Uhr war von mindestens 100 Festnahmen im Stadtgebiet die Rede, vor allem wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz, oft ging es um gefährliche Böllerei mit illegalem Feuerwerk. Insgesamt sei das Geschehen bis dahin aber normal für eine Silvesternacht in Berlin, sagte ein Sprecher der Polizei. Es habe auch wieder Angriffe auf Feuerwehrleute und Polizisten gegeben, aber man könne noch nicht sagen, in welchem Ausmaß und ob es weniger waren als im vergangenen Jahr.
Mehrere Menschen wurden festgenommen, weil sie offenkundig sogenannte Molotow-Cocktails bauten. "Sie füllten Benzin in Glasflaschen und steckten gerade Stofffetzen als Lunte hinein, als sie von unseren Einsatzkräften in Neukölln entdeckt wurden", schrieb die Polizei auf X. Grillanzünder hätten sie auch dabei gehabt. Neun Verdächtige seien festgenommen worden und elf Molotow-Cocktails sichergestellt.
Am Nachmittag hatte es in Berlin eine angemeldete propalästinensische Demo gegeben, die besser besucht war, als zunächst angenommen - es kamen laut Polizei etwa 2000 statt 1000 Menschen. Die Lage wirkte am Nachmittag aber ruhig, besondere Vorkommnisse meldete die Polizei nicht. Bei der Demonstration unter dem Motto "Kein Silvester - Solidarität mit Palästina" waren auch palästinensische Flaggen zu sehen. Über Megafon riefen die Veranstalter auf, sich ruhig zu verhalten. Für den Silvesterabend verbot die Polizei eine geplante propalästinensische Demonstration in Neukölln mit dem Titel "No Celebration During Genocide" ("Keine Feiern während eines Genozids").
In Koblenz ist ein 18-Jähriger bei der Explosion eines Feuerwerkskörpers ums Leben gekommen. Der Unfall am Silvesterabend sei beim Zünden des Böllers passiert, teilte die Polizei mit. Der junge Mann sei trotz Reanimation an den Folgen der Explosion gestorben. Die Ermittlungen zu den Umständen dauerten an.
Mehr als 6000 Polizisten in NRW im Einsatz
Beim Hantieren mit Feuerwerk sind zwei Kinder im Kreis Schleswig-Flensburg verletzt und ein Haus schwer beschädigt worden. Ein 15-Jähriger erlitt bei dem Unglück am Samstagabend in Havetoft schwere Brandverletzungen, wie eine Polizeisprecherin sagte. Ein zehn Jahre altes Mädchen wurde leicht verletzt. Bei dem Unglück auf dem Dachboden des Hauses brach Feuer aus. Das Gebäude ist vorläufig nicht mehr bewohnbar.
Nach dem Terroralarm für den Kölner Dom und Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr bereitete sich auch die Polizei in ganz Nordrhein-Westfalen auf einen Großeinsatz vor. Im Vergleich zum Vorjahr wurde die Zahl der Einsatzkräfte nach Angaben des Innenministeriums noch einmal aufgestockt. Insgesamt seien mehr als 6600 Polizistinnen und Polizisten eingeplant, erklärte das Haus von Minister Herbert Reul (CDU). In der zurückliegenden Silvesternacht 2022/23 waren in mehreren NRW-Städten Böller und Raketen gezielt auf Polizisten und Rettungskräfte geschossen worden. Reul hatte damals von einer "neuen Dimension der Aggressivität" gesprochen.
In Hamburg haben sich die Menschen am Silvesterabend nach Angaben der Polizei überwiegend friedlich auf den Jahreswechsel eingestimmt. "Wir sind noch im normalen Silvestermodus", sagte ein Sprecher der Polizei etwa eine Stunde vor Mitternacht. Zwischenfälle mit größeren Gruppen habe es zunächst weder in der Innenstadt noch in vom Zentrum entfernt liegenden Stadtteilen gegeben. Auch Meldungen über Verletzte habe es zunächst nicht gegeben.
Auch in München sind die Silvesterfeiern in nach Einschätzung der Polizei zunächst ohne größere Zwischenfälle angelaufen. "Es ist verhältnismäßig ruhig", sagte eine Polizeisprecherin. Es sei nichts Herausragendes vorgefallen. Allerdings war am Abend Regen über die Landeshauptstadt gezogen.
Mit Material der Agentur dpa
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