Nach Ausschreitungen mit 28 verletzten Polizisten rund um das Eritrea-Festival am Samstag ist es am Sonntag in Gießen ruhig geblieben. Ein Polizeisprecher sagte, trotzdem bleibe die Polizei mit starken Kräften vor Ort, „so lange es nötig ist“. Am frühen Nachmittag hatten zahlreiche Besucher das Festivalgelände verlassen, ohne dass es dort zu Protesten gekommen war. Die Stadt wollte am späten Nachmittag eine Bilanz des Geschehens veröffentlichen.
Bei den Zusammenstößen mit Gegnern der Veranstaltung waren am Samstag 28 Polizisten verletzt worden, sieben von ihnen schwerer. Sie hätten vor allem Platzwunden, Bänderrisse und -zerrungen erlitten.
Andere Beamte konnten den Einsatz trotz leichter Verletzungen fortsetzen oder meldeten die Verletzung sogar erst später. Die Zahl der Verletzten war am Samstagabend zunächst mit 26 beziffert worden.
Eritrea-Festival wird nach Ausschreitungen fortgesetzt
Nach den massiven Ausschreitungen ist das Festival am Sonntag fortgesetzt worden. Im Gegensatz zum Vortag, als es bei Protesten gegen die Veranstaltung zu Auseinandersetzungen kam, war die Lage am Vormittag ruhig.
Man sei „auf alle Eventualitäten vorbereitet“, sagte ein Sprecher. Doch wie in der Nacht sei es ruhig geblieben. Die Kontrollen im Stadtgebiet seien fortgesetzt worden, es habe keine nennenswerten Verstöße gegeben.
Eritrea-Festival: Wie kam es zu den Ausschreitungen?
Gegner des Festivals hatten am Samstag Polizisten angegriffen und unter anderem versucht, auf das Festivalgelände zu gelangen.
Die Polizei setzte unter anderem Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Nach Darstellung der Beamten wurden sie mit Steinen und Flaschen beworfen. Die Gegendemonstranten sollen auch Rauchbomben gezündet haben. Dabei wurden den Angaben nach die 28 Polizisten verletzt.
Veranstalter des Festivals ist der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, der wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem Land am Horn von Afrika als umstritten gilt.
In Eritrea regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt.
Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten.
Peter Beuth, hessischer Innenminister
International geriet Afewerki zuletzt in die Kritik, da die eritreische Armee mehreren UN-Berichten zufolge im äthiopischen Bürgerkrieg bis November 2022 an der Seite der äthiopischen Zentralregierung schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben soll. Zudem sind in dem Land viele Freiheitsrechte weitgehend eingeschränkt.
Auch Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt von schweren Missständen berichtet. Schon im August 2022 war es bei der vorangegangenen Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen.
Wir sind ein Teil Deutschlands, wir sind Deutsche, aber wir stammen aus Eritrea.
Oton Johannys Russom, Zentralrat der Eritreer in Deutschland
Einge Festival-Teilnehmer versteckten ihre Bändchen
Nach Angaben der Polizei nahmen auf dem Festivalgelände außerhalb der Innenstadt bis nach Mitternacht rund 1700 Menschen an der Veranstaltung teil. Noch am Sonntagmorgen hielten sich dort einige hundert Personen auf.
Manche Festivalbesucher, an ihren Armbändern für die Einlasskontrolle erkennbar, verließen bereits während der Ausschreitungen das Gelände. Andere wollten offenbar nicht als Festivalbesucher bemerkbar sein - gebrauchte Bänder lagen zerschnitten im Gebüsch um die Messehalle.
Hessischer Innenminister wollte Botschafter Eritreas einbestellen
Angesichts der Gewaltszenen und verletzten Polizeibeamten hatte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) die Bundesregierung aufgefordert, den eritreischen Botschafter einzubestellen.
„Der eritreischen Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen“, sagte er. „Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten.“
Festival-Veranstalter weist Vorwürfe zurück
Der Veranstalter des Eritrea-Festivals in Gießen hat bestritten, dass auf der Veranstaltung Propaganda für die Regierung des ostafrikanischen Landes verbreitet werde. Dieser Vorwurf sei völlig haltlos, sagte Oton Johannys Russom vom Vorstand des Zentralrats der Eritreer in Deutschland am Samstag.
Auch die Behauptung, Generäle würden bei dem Festival auftreten, stimme nicht. „Das sind keine Generäle, das sind normale Menschen aus Eritrea. Warum sollten hier Generäle kommen?“
Das Festival bestehe aus kulturellen Veranstaltungen wie Musik und Literatur. „Das ist ein Begegnungszentrum für alle Eritreer, die ihre Erfahrungen austauschen“, sagte Russom.
Die Eritreer seien seit den 1980er Jahren eine große Gemeinde in Deutschland, mittlerweile in zweiter und dritter Generation. „Wir sind ein Teil Deutschlands, wir sind Deutsche, aber wir stammen aus Eritrea.“ Wenn suggeriert werde, dass sie Ausländer seien, sei dies struktureller Rassismus. (dpa)
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