Die Bundestagspräsidentin spielt heute Lottofee: Bärbel Bas lost 160 Menschen für den vom Bundestag beschlossenen Bürgerrat aus. Sie sollen über Ernährung diskutieren - und dann ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen vorlegen.
Es klingt nach der Ziehung der Lottozahlen, was heute im deutschen Parlament passieren soll: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bittet zur Bürgerlotterie. Sie lost die Mitglieder des Bürgerrats aus. Starten soll der Rat im September.
Bas hatte Mitte Juni knapp 20.000 zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger aus 82 ebenfalls per Zufall bestimmten Gemeinden zur Teilnahme eingeladen. Gut 2000 zeigten Interesse. Ein Algorithmus ermittelte 1000 mögliche Zusammensetzungen eines Bürgerrates, die den vorgegebenen Kriterien entsprechen. Bas zieht nun aus diesen 1000 möglichen Varianten einen Bürgerrat.
Veganer, Vegetarier und Fleischesser
Die 160 Menschen sollen ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Neben dem Zufall spielen deshalb auch Quoten eine Rolle. Diese gibt es für den Frauen- und Männeranteil, für die Verteilung zwischen Stadt und Land und bei Essensgewohnheiten. Veganer, Vegetarier und Fleischesser sollen entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung vertreten sein. Denn der Bürgerrat soll sich mit Fragen rund um Ernährung beschäftigen.
Die Ampel-Parteien hatten den Bürgerrat auf den Weg gebracht. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, "neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte" zu nutzen. Ziel ist es, einer Entfremdung von Bürgern und Politik entgegenzuwirken und zur Versachlichung kontroverser Debatten beizutragen.
Der Bürgerrat wurde im Mai per Parlamentsbeschluss mit dem Titel "Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben" eingesetzt.
Drei Wochenenden und digitale Sitzungen
An drei Wochenenden und in Online-Diskussionen soll es im Bürgerrat darum gehen, was der Staat beim Thema Lebensmittel und Ernährung alles regeln soll. Dabei soll es zum Beispiel um Bedingungen von Tierhaltung oder um Kennzeichnungspflichten gehen. Für ihre Diskussionen sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter sich bleiben. Begleitet werden sie durch eine neutrale Moderation.
Aufwandspauschale für die Teilnehmer
Pro Sitzungstag in den Gebäuden des Bundestags in Berlin bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Art Aufwandspauschale von 100 Euro, für die digitalen Sitzungen jeweils 50 Euro. Außerdem werden Fahrt- und Hotelkosten übernommen. Der Bundestag hat eine eigene kleine Abteilung in seiner Verwaltung für den Bürgerrat eingerichtet und einen externen Dienstleister beauftragt. Die Gesamtkosten lassen sich laut Bundestag bisher noch nicht genau beziffern. Im Haushalt 2023 sind maximal drei Millionen Euro für den Bürgerrat eingeplant.
Ende Februar 2024 soll es ein Gutachten des Bürgerrats mit konkreten Handlungsempfehlungen geben, das dann im Plenum und in den Ausschüssen des Bundestages diskutiert werden soll. Verbindlich sind die Vorschläge aber nicht. Wie sichtbar die Ergebnisse des Bürgerrats sein werden, hängt von den Abgeordneten ab. Am Ende entscheiden sie, was aus den Vorschlägen wird.
Union kritisiert Bürgerrat-Idee
Kritik kam aus der Union. Sie befürchte, dass das Vorhaben "die Bedeutung von Parlamenten unterminiert", sagte die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann im Mai im Bundestag. Nach Ansicht ihres Fraktionskollegen Steffen Bilger braucht es keinen Bürgerrat, weil viele Abgeordnete einen Wahlkreis hätten und dort in Kontakt mit Menschen seien.
Bundestagspräsidentin Bas verteidigte das Vorhaben gegen Kritik. Ihrer Erfahrung nach würde sich nicht die ganze Breite der Gesellschaft bei den Abgeordneten melden, sagte sie im Phoenix-Podcast. Bürgerräte könnten helfen, neue Sichtweisen kennenzulernen und so die Demokratie zu stärken. Gleichzeitig räumte die SPD-Politikerin aber ein, dass auch durch Bürgerräte Menschen aus ärmeren Verhältnissen nicht erreicht würden.
Weitere Bürgerräte sind in Planung. Die Ampel-Fraktionen überlegen aber wohl noch, welchen Themen behandelt werden sollen.
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