"Noch in diesem Jahr" soll laut Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) der Konsum von Cannabis legal werden. Der aktuelle Entwurf der Bundesregierung ist als Zwei-Säulen-Modell CARe ("Club Anbau & Regional-Modell") angelegt. Veröffentlicht wurde bislang nur der erste Teil, der Eigenanbau und Besitz für den persönlichen Bedarf regelt. Dazu will die Bundesregierung noch im April einen Gesetzentwurf vorlegen. Dieser müsste nach Abstimmung in der Regierung und Kabinettsbeschluss später noch durch Bundestag und Bundesrat. Nach der Sommerpause soll der Gesetzentwurf zu den Modellregionen folgen.
- Für Erwachsene soll der Besitz von 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf straffrei bleiben.
- Anbau und Abgabe soll vorerst über nicht gewinnorientierte Vereine oder Cannabis-Clubs ermöglicht werden, wie sie zum Beispiel in einigen Regionen Spaniens und in Malta bereits erlaubt sind.
- Im privaten Eigenanbau sind bis zu drei weibliche blühende Pflanzen erlaubt.
- Die Vereine oder Clubs dürfen den Plänen zufolge maximal 25 Gramm Cannabis pro Tag pro Person abgeben, insgesamt im Monat aber höchstens 50 Gramm pro Person.
- Das Mindestalter für eine Clubmitgliedschaft ist 18 Jahre, maximal sind 500 Mitglieder pro Club erlaubt.
- Sind Mitglieder unter 21 Jahre alt, bekommen sie höchstens 30 Gramm pro Monat, auch eine Begrenzung des THC-Gehalts ist bei dieser Gruppe vorgesehen.
- Die Cannabis-Vereine dürfen zudem Samen und Stecklinge an die Mitglieder zum Eigenanbau weitergeben. Hier sollen maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat erlaubt sein.
- Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen keine Werbung machen.
- Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.
- Ob Cannabis in den Clubs auch konsumiert werden darf, ist noch nicht abschließend geklärt.
Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen laut Eckpunktepapier verpflichtend an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen. In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.
Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden. Auch entsprechende laufende Straf- und Ermittlungsverfahren werden beendet.
In einem zweiten Schritt der Cannabis-Legalisierung sollen in Kommunen mehrerer Bundesländer kommerzielle Lieferketten ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf in Fachgeschäften. Welche Regionen dafür ausgewählt werden, ist unklar. Es gibt mehrere Städte und Bundesländer, aus denen Interesse bekundet wird, zum Beispiel Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Bayern hingegen ist strikt gegen die Pläne der Ampel. Die Projekte sollen wissenschaftlich begleitet, auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt sein. Bei dieser zweiten Säule der geplanten Legalisierung wird laut Bundesregierung weiterhin die EU mitreden.
Davor hat etwa Bayern gewarnt, auch Dänemark soll entsprechende Bedenken teilen. Lauterbach will "umfängliche Schutzmaßnahmen" ergreifen, damit es nicht dazu kommt. So soll sichergestellt werden, dass in einer Modellkommune nicht mehr Cannabis produziert wird, als von den dortigen Abnehmern konsumiert wird.
Bei den Vereinen und Clubs nicht; sie stellen Cannabis zum Selbstkostenpreis bereit. Im kommerziellen Verkauf aber würden die Drogen wie etwa Alkohol oder Zigaretten besteuert.
Cannabis ist die lateinische Bezeichnung für die Hanfpflanze, die seit Jahrtausenden genutzt wird als Rohstoff für Seile (Fasern), Speiseöl (Samen), ätherische Öle (destillierte Blätter und Blüten) und Rauschmittel. Letztere werden aus weiblichen Pflanzen gewonnen - Marihuana aus getrockneten Pflanzenteilen (meist Blüten), Haschisch und Haschisch-Öl aus dem extrahierten Harz der weiblichen Blüten. Eine weibliche Pflanze des Echten Hanfs (Cannabis sativa) enthält mindestens 144 Cannabinoide, von denen Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) psychoaktiv am stärksten wirkt. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat Marihuana je nach Sorte und Art der Herstellung einen THC-Gehalt von 7 bis 11 %, Haschisch von 11 bis 19 %. Treibhauszüchtungen bringen es bei Marihuana auf bis zu 20 %, bei Haschisch auf bis zu 30 % und bei Haschisch-Öl auf teilweise über 70 %. Ein weiterer zentraler Inhaltsstoff der Cannabispflanze ist Cannabidiol (CBD), das aber nicht berauschend wirkt.
THC beeinflusst das zentrale Nervensystem. In kleinen Dosen kann es Euphorie, Angstverlust, Beruhigung und Schläfrigkeit auslösen und wird daher häufig mit der Wirkung von Alkohol verglichen. THC kann aber auch Übelkeit und Brechreiz unterdrücken. Erklärt wird die Wirkung damit, dass das pflanzliche THC die körpereigenen Cannabis-Rezeptoren aus der Balance bringt. Der menschliche Körper verfügt über ein eigenes Cannabis-System (Endocannabinoide), das Teil des Nervensystems ist und sehr viele Körperfunktionen mitregelt.
Im Januar 2017 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das den Einsatz von Cannabis als Medizin in begründeten Einzelfällen zulässt. Medizinisches Cannabis, das in Deutschland verschrieben werden darf, enthält bis zu 22 Prozent THC. Die Studienlage zu Cannabis-Therapien ist allerdings mangelhaft. So hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Juli 2022 einen Abschlussbericht zu einer Begleiterhebung von Cannabis in der Medizin in den vergangenen fünf Jahren veröffentlicht. Allerdings berücksichtigt dieser nur 16.809 vollständig übermittelte, anonymisierte Datensätze - bei laut gesetzlichen Krankenkassen rund 70.000 Behandlungsfällen in diesem Zeitraum. Laut BfArM-Bericht wurden vor allem Schmerzen mit Cannabis-Arzneien behandelt (76,4 %), gefolgt von Spastiken (9,6%) und Anorexie (Appetitlosigkeit, 5,1%). In 14,5 Prozent der Fälle lag eine Tumorerkrankung vor, in 5,9 Prozent Multiple Sklerose.
Laut Weltdrogenbericht von 2022 ist Cannabis mit 209 Millionen Nutzern (Stand: 2020) die am häufigsten konsumierte Droge (nach Alkohol und Nikotin). Demnach stieg die Produktion von Marihuana (Kraut) im Vergleich zum Vorjahr um 15 %, von Haschisch (Harz) um 29 %. In Deutschland nutzen nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums etwa vier Millionen Erwachsene Cannabis. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gab im Jahr 2021 etwa jeder achte 18- bis 25-jährige Mann an, regelmäßig Cannabis zu konsumieren. 2008 war es jeder zwanzigste. Geschlechterübergreifend hat 2021 knapp über die Hälfte dieser Altersgruppe (50,8%) mindestens einmal die Droge genommen. Zwischen 1973 und 1997 verfügten in der Regel nicht mehr als 25 % aller 18- bis 25-Jährigen über eigene Konsumerfahrung.
Politiker geben als Motiv an, den unkontrollierten Handel und Konsum über den Schwarzmarkt und damit die organisierte Kriminalität eindämmen zu wollen. Laut Lauterbach und Özdemir soll auch der Jugendschutz erhöht werden, die bisherige Kontrollpolitik sei gescheitert. Der Soziologe Bernd Werse vom Institut für Suchtforschung an der Universität Frankfurt am Main sagte der Tagesschau, er begrüße es grundsätzlich sehr, dass Menschen nicht mehr dafür bestraft werden sollen, wenn sie kleine Mengen Cannabis dabei haben.
Kritiker werfen dem Gesundheitsminister vor, er lege mehr Wert auf die Legalisierung einer Droge als auf Gesundheitsschutz, die Risiken des Cannabis-Konsums würden verharmlost. Der heftigste Gegenwind kommt aus Bayern, wo die Pläne als "Irrweg" und "ideologisches Legalisierungsprojekt" bezeichnet wurden. Einige Kritiker äußern Zweifel, dass es mit der Cannabis-Freigabe gelingen werde, die Drogenkriminalität einzudämmen oder den Umstieg auf härtere Drogen zu verhindern. Legal zu erwerbendes Cannabis wäre hochwertig und damit wohl auch teurer als illegales Cannabis. Der Schwarzmarkt-Handel würde so nicht unterbunden. Es liege auf der Hand, dass die Regelungen den Schwarzmarkt nicht trockenlegen, sondern erheblich ankurbeln werden, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hält die Legalisierung für Unter-25-Jährige für problematisch, weil das menschliche Gehirn erst mit etwa 25 Jahren ausgereift ist. Regelmäßiger Cannabis-Konsum störe die Hirnentwicklung dauerhaft, sagt Verbandschef Thomas Fischbach. Verbandssprecher Jakob Maske kritisierte, aus dem aktuellen Entwurf gehe nicht hervor, wie Kinder- und Jugendschutz gewährleistet werden solle. Maske zufolge ist es zwar rechtlich sinnvoll, den Cannabis-Konsum ab 18 Jahren freizugeben. "Medizinisch gesehen wäre ein Verbot bis zum Alter von 25 Jahren aber sinnvoll", sagte Maske der "Stuttgarter Zeitung". Der Weltdrogenbericht legt einen Zusammenhang zwischen gestiegenem Cannabis-Konsum und einer Zunahme psychischer Störungen nahe und führt das auf die weltweit fortschreitende Legalisierung von Cannabis zurück.
Langfristiger Cannabis-Konsum ist Experten zufolge mit seelischen, sozialen und körperlichen Risiken verbunden. Nach heutigem Kenntnisstand geht man aber davon aus, dass gravierende Hirnschäden, wie sie von Alkohol bekannt sind, nicht verursacht werden. Diverse Studien liefern jedoch Hinweise für einen Zusammenhang zwischen regelmäßigem Cannabis-Konsum und Psychosen, demnach steigt das Risiko bei hochpotentem Cannabis (THC-Gehalt über 10 %) deutlich an. Die Gefahr, dass sich Cannabis als "Einstiegsdroge" etabliert, wurde lange kontrovers diskutiert. Laut Deutscher Suchthilfe (DHS) steigt jedoch nur ein geringer Anteil der Cannabis-Konsumenten langfristig auf härtere Drogen um.
Im Gegensatz zu legalen Suchtstoffen wie Tabak und Alkohol gilt Cannabis in Deutschland bislang als illegale Substanz, die unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fällt. Darin ist Cannabis bislang neben Drogen wie Heroin und MDMA ("Ecstasy") als "nicht verkehrsfähig" eingestuft. Somit ist jeglicher Besitz von Cannabis und Cannabisprodukten (Haschisch, Marihuana) aktuell noch strafbar. Bei einer geringen Menge, die zum Eigengebrauch bestimmt ist, kann die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung absehen. Die Grenzen, bis zu wie viel Gramm eine Menge als gering eingestuft wird, variieren je nach Bundesland.
Laut Schengen-Protokoll ist jedes EU-Land verpflichtet, den unerlaubten Handel und die unerlaubte Ausfuhr von Sucht- und Psychodrogenstoffen aller Art unter Strafandrohung zu verbieten. Ein Ausnahmepassus gilt nur für den privaten Konsum. Diese Regelung nutzen seit vielen Jahren beispielsweise die Niederlande mit den sogenannten Coffeeshops, wo der Verkauf zum persönlichen Konsum aber lediglich geduldet wird. Tschechien will Cannabis für den persönlichen Gebrauch ebenfalls weitgehend legalisieren. Dort werden Hanfprodukte bereits in Apotheken verkauft.
Wer beim Auto- oder Motorradfahren unter dem Einfluss von Cannabis aufgegriffen wird, muss damit rechnen, als fahruntauglich eingestuft zu werden. Anders als bei Alkohol sind keine Grenzwerte für Cannabis festgelegt. Bereits der Nachweis einer geringen Menge THC reicht für eine Ordnungswidrigkeit. Ob es durch den Konsum zu einer Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit kommt, ist unerheblich. Der Führerschein wird in der Regel eingezogen. Im neuen Eckpunktepapier heißt es: "Die Grenzwerte im Straßen-, Schiffs- und Luftverkehr werden unter Einbeziehung der einschlägigen Fachgremien überprüft. Regelungen über die Zulässigkeit von Fahrten unter Einfluss von Cannabis orientieren sich dabei ausschließlich an den Erfordernissen der Verkehrssicherheit."
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