
Von ihrer Verpflichtung, die meisten Briefe innerhalb Deutschlands innerhalb eines Tages zuzustellen, ist die Post derzeit weit entfernt. An manchen Orten ist wochenlang kein Zusteller oder keine Zustellerin zu sehen. Ersatz für krankes und fehlendes Personal findet das Unternehmen kaum.
Es sind längst keine Einzelfälle mehr: Im vielen Teilen Deutschland kommt es seit Monaten zu teils wochenlangen Verzögerungen bei der Postzustellung. In Berlin, so berichtet der RBB, mussten manche Bewohner im Stadtteil Britz gut zweieinhalb Wochen auf den Postboten warten. Im Kreis Konstanz schlugen mehrere Bürgermeister Alarm, da in einige Orten über mehrere Wochen keine Post zugestellt worden sei. Das habe, so schrieben die Bürgermeister laut SWR in einem Beschwerdebrief an das Bundeswirtschaftsministerium, schwere Folgen etwa für Unternehmen, die Rechnungen zu spät erhielten. Zudem bestehe die Sorge, dass beispielsweise bei anstehenden Bürgermeisterwahlen Wahlunterlagen nicht fristgerecht zugestellt werden.
Ähnliche Berichte gibt es aus dem Norden ebenso wie aus dem Westen Deutschlands. Auch in den Zahlen der Beschwerden über die Briefzustellung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Bundesnetzagentur, spiegelt sich diese Situation wider. Im September seien knapp 5000 Post-Beschwerden eingegangen, teilte die Bonner Behörde auf dpa-Anfrage mit. Damit seien es im dritten Quartal insgesamt rund 11.500 gewesen. Die Zahl ist ungewöhnlich hoch, wie ein Vergleich mit früheren, längeren Zeiträumen zeigt: Im ersten Halbjahr 2022 waren es rund 8900 Beschwerden und im ganzen Vorjahr 15.100.
Die Erklärung der Post auf die regionalen Missstände ist stets ähnlich: Corona-Krankheitswelle und Personalnot sind demnach die Ursachen. "Die Corona-Infektionswelle geht auch an der Deutschen Post nicht spurlos vorbei", zitiert etwa der NDR einen Sprecher des Unternehmens für Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. "Im gesamten Norden verzeichnen wir - für diese Jahreszeit unerwartet - viele Krankheitsfälle." Allerdings sind die eklatanten Verzögerungen bei den Zustellungen an vielen Orten offenbar schon weit vor der aktuellen Corona-Welle aufgetreten. Die Konstanzer Bürgermeister etwa bemängeln in ihrer Beschwerde, dass die Probleme schon seit einem halben Jahr andauerten.
Notfallpläne aktiviert
In vielen Regionen hat die Post eigenen Angaben zufolge lokal Corona-Notfallpläne aktiviert. So werden in mehreren Berliner Bezirken Briefe an Privathaushalte planmäßig nur noch jeden zweiten Tag zugestellt. Offenbar reicht das aber nicht immer aus, um das Chaos in den Griff zu bekommen. "Aufgrund der Personalengpässe mussten Teile von Touren in den zurückliegenden Wochen auf andere Kollegen umverteilt werden", sagte ein Sprecher der Post in Berlin dem RBB. Mitarbeiter, die ihre tägliche Höchstarbeitszeit erreicht hatten, brachen ihre Touren demnach ab. "Auf der Tour noch verbleibende Haushalte konnten dann nicht taggleich, sondern erst verspätet an den Folgetagen mit Post beliefert werden."
Neben der Post, die insbesondere bei Briefen den Markt beherrscht, seien auch andere Unternehmen von Problemen betroffen, zitiert der RBB Serkan Antmen vom Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation. Die einst als Verband der Postbenutzer gegründete Organisation hat Laufzeitmessungen von Briefsendungen durchgeführt, um zu prüfen, ob die Post ihr Versprechen hält, 90 Prozent der Briefe am folgenden Tag zuzustellen. "Ich kann mit Sicherheit sagen, dass das sehr selten der Fall ist", sagte Antmen dem Sender.
Der Gewerkschaft Verdi sind die Probleme in der Zustellung bekannt. Die Belastung der Zustellerinnen und Zusteller bei der Deutschen Post und anderen Firmen sei sehr hoch, sagte ein Sprecher der Arbeitnehmerorganisation. Mehr Personal sei nötig, das unbefristet eingestellt werde.
Doch dieses Personal ist auf dem Arbeitsmarkt derzeit kaum zu finden. "Diese höheren Personalausfälle können aufgrund der sehr angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt nur begrenzt durch die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte kompensiert werden", teilt die Post RTL.de mit. Bereits vor einigen Monaten habe man umfangreiche Rekrutierungsmaßnahmen in die Wege geleitet, darunter die bundesweite Kampagne "werde-eine:r-von-uns.de". "Wir unterstreichen dabei nochmals unsere guten Arbeitsbedingungen und Löhne", so die Post.
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