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„Maischberger“: Lindner hofft auf französische AKWs zur Lösung der deutschen Energiekrise - WELT - WELT

Am Montag überraschte viele das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz, die drei Atomkraftwerke sollten bis zum 15. April 2023 laufen. Doch die grünen und liberalen Minister in der Ampel-Koalition wussten im Vorfeld schon Bescheid, erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner bei Maischberger.

„Meine Grundüberzeugung hat sich durch den Beschluss nicht verändert“, sagte Lindner. Hätte er allein entscheiden können, so würden neue Brennstäbe bestellt werden, um sie im nächsten Winter zu nutzen, sollte die Energie-Lage schlecht bleiben. Es sei auch kein Problem, die Brennstäbe zu lagern oder zu verkaufen, sollte kein Bedarf bestehen. „Wir versuchen aber, gut über die nächsten Winter zu kommen, auch mit der Entscheidung, die jetzt getroffen wurde“, sagte Lindner.

Flüssiggas-Importe, Kohlekraftwerke und aktive französische AKWS, fordert Christian Lindner

„Sie müssen doch davon ausgehen, dass der Bundeskanzler nicht einen Brief an seinen Vizekanzler und an den Finanzminister schreibt und die werden vom Inhalt überrascht“, sagte der FDP-Chef. „Wenn es so wäre, dann hätte die Koalition ein Problem mit dem Vertrauen. Das ist aber nicht so.“ Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck hätte im Vorfeld Bescheid gewusst, bestätigte Lindner.

Die Energiepolitik müsse ideologiefrei angegangen werden, forderte der 43-Jährige. Deutschland könne durch „Flüssiggas-Importe weiter dekarbonisiert werden“, die Kohlekraftwerke müssten am Netz gehalten werden, und die Franzosen müssten ihre Kernkraftwerke möglichst schnell wieder ans Netz bringen.

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Jessica Berlin (v.l.n.r. ), Ulrike Herrmann, Stefan Aust und Sandra Maischberger
Quelle: WDR/© WDR/Oliver Ziebe

Zugleich müsse Deutschland seine eigenen Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee und im Land stärker in den Blick nehmen. „Auch Fracking ist verantwortbar“, sagte der FDP-Politiker. „Es ist sehr tief, das Trinkwasser ist nicht gefährdet und es gibt keine Gefahr für Erdbeben.“

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Den Parteichef der Liberalen befragte Sandra Maischberger auch zu den schlechten Umfragewerten und der Wahlniederlage zum niedersächsischen Landtag. Da ist die FDP zuletzt an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Er wolle sich bis 2025 auf die Bundesregierung konzentrieren, erst „dann können Sie mich wieder nach Parteipolitik fragen“, sagte er. Seine Priorität sei jetzt: „Das Land durch die Krise bringen.“ Der Erfolg der FDP komme aus dem Voranbringen des Landes und der Menschen, meinte Lindner.

„Deutschland muss seine Energiepolitik besser mit Europa abstimmen“

Die Journalistin Ulrike Herrmann („taz“), Politikwissenschaftlerin Jessica Berlin und WELT-Herausgeber Stefan Aust sahen in dem Machtwort eine Stärke des Kanzlers. „Ich glaube, die anderen haben auf sein Machtwort gewartet“, sagte Aust. Ein Ende der AKW-Laufzeit sieht er allerdings noch nicht ausdiskutiert.

Herrmann meinte, man können nicht weiter auf Atomkraftwerke setzen, weil Deutschland schon in 23 Jahren klimaneutral sein wolle. Die Grünen wollten die geplante Abschaltung aller drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland bis Ende des Jahres beibehalten.

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Jessica Berlin vermutete, die grünen Minister hätten die Linie ihrer Parteibasis lange halten wollen, trotz besseren Wissens, dass die Atomkraftwerke länger laufen müssten, um die Energiekrise zu bewältigen. „Deutschland muss seine Energiepolitik besser mit Europa abstimmen und auch die Digitalisierung stärker in den Blick nehmen“, forderte sie.

Stefan Aust bezeichnet es als „Illusion, zu glauben, dass man ein Industrieland mit erneuerbaren Energien auf irgendeine Weise versorgen kann.“ Windenergie würde aktuell nur 3,5 Prozent der Primärenergie hergeben, bei derzeit 30.000 Windrädern. „Wollen wir 35 Prozent, brauchen wir 300.000 Windräder.“ Deutschland habe etwa 360.000 Quadratkilometer Landfläche, das wären pro Quadratkilometer ein Windrad. Aust: „Good luck.“

Iran seit der Islamischen Revolution: „Frauen waren keine Menschen mehr“

Über die Unruhen im Iran sprach Maischberger mit zwei weiteren Gästen: den gebürtigen Iranern Nargess Eskandari-Grünberg (Frankfurter Bürgermeisterin, Grüne) und Omid Nouripour (Grünen-Parteichef). Im Iran geht das Regime unerbittlich gegen die Proteste im Land vor. Seit Wochen gehen Demonstranten auf die Straße und werden von Polizisten nieder geprügelt oder verschwinden im Evin-Gefängnis, in dem viele politische Gefangene sitzen.

Eskandari-Grünberg saß eineinhalb Jahre in dem berüchtigten Gefängnis am nördlichen Stadtrand der Hauptstadt Teheran. Mit 17 Jahren sei sie protestierend auf die Straße gegangen, habe als Schülerin ein selbstgemaltes Plakat mit der Aufschrift „Freiheit und Demokratie“ getragen. „Frauen waren keine Menschen mehr“, sagte die 57-jährige.

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Ende der 70er-Jahre folgte die Islamische Revolution, die Islamische Republik unter der Führung von Ruhollah Chomeini entstand. „Eine Frau konnte keine Berufswahl mehr treffen, musste Kopftuch tragen, konnte bei einem Prozess nicht als Zeugin auftreten“, erklärte Eskandari-Grünberg. Dagegen sei sie auf die Straße gegangen und eineinhalb Jahre inhaftiert worden. „Wie die Menschen heute protestieren, ihre Haare abschneiden und ihre Kopftücher verbrennen, das macht mich emotional und stolz“, sagte die studierte Psychotherapeutin.

Minderjähriger hingerichtet im Iran: „Weil er Flyer verteilt hat“

Im Evin-Gefängnis starben zuletzt mehrere Häftlinge bei einem Brand. Die Grünen-Politikerin beschrieb bei Maischberger ihre Erlebnisse in der Anstalt. Blut sei an den Wänden gewesen, sie musste teils tagelang eine Augenbinde tragen, habe Hinrichtungen miterlebt. Ihre Tochter, die Schauspielerin Maryam Zaree, gebar sie in Haft. „Und wir machen wirtschaftliche Geschäfte mit dem Iran und schauen einfach nur zu“, kritisierte Eskandari-Grünberg.

Nouripours Onkel wurde in demselben Gefängnis hingerichtet. „Als Minderjähriger, weil er Flyer verteilt hat“, sagte der Grünen-Chef. „Das Gefängnis ist das Symbol der Unterdrückung der letzten 43 Jahre.“ Mit 13 Jahren ist Nouripour nach Deutschland gekommen. Und fordert scharfe Sanktionen gegen den Iran. „Es braucht Druck auf das Regime.“ Er verglich die Situation mit dem Ukraine-Krieg, wo Zivilisten sterben. „Im Iran werden so viele Menschen, so viele Kinder getötet.“

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Eskandari-Grünberg: „Für die Emanzipation der Frau auf der Welt wird auch dort im Iran gekämpft.“ Von Deutschland fordert sie, alle politischen und wirtschaftlichen Verhandlungen zu unterbinden. „Keine Gespräche über Atomabkommen, noch über anderes.“

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