Bis zum Jahresende - Giffey will 9-Euro-Ticket in Berlin verlängern
Das 9-Euro-Ticket läuft Ende August aus. Die Regierende Bürgermeisterin konfrontiert ihre Koalitionspartner nun mit einem überraschenden Vorschlag. Wieviel das neue lokale Ticket kosten wird und wer dafür bezahlen soll, ist aber noch offen.
Berlin plant ab 1. Oktober eine vom Land finanzierte Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket. Wieviel das neue lokale Ticket kosten wird, ist aber noch offen. Das teilte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Freitag nach einer Klausurtagung der rot-grün-roten Koalition mit. Damit bestätigte Giffey Informationen des rbb, der von einer möglichen Verlängerung des 9-Euro-Tickets berichtet hatte.
Demnach hofft Berlin, dass der Bund zügig eine bundesweit geltende und einfache Lösung für die Tarife im Öffentlichen Nahverkehr erarbeitet und maßgeblich mitfinanziert. Das Land wolle bis dahin aber eine temporäre Lösung für die Monate Oktober, November und Dezember. Das sei eine zielgerichtete Entlastung für alle Berlinerinnen und Berliner in Zeiten hoher Preise, so Giffey. Die Details dazu müssten nun ausgearbeitet werden.
Unmittelbar vor dem Koalitionstreffen hatte Giffeys SPD ein lokales Ticket für monatlich 9 Euro vorgeschlagen - zumindest für den Tarifbereich AB, also die Stadt Berlin. Ob eine solche Lösung kommt, ist aber offen.
SPD will sich für weitere Finanzierung bei Koalition im Bund einsetzen
Es seien noch viele offene Fragen zu klären, erläuterte Giffey. Unter anderem solle mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg beraten werden, für welche Tarifgebiete die Regelung gelten soll, da das Tarifgebiet C teils auf Berliner, teils auf Brandenburger Gebiet liege. Offen sei auch, wie viel das Ticket kosten soll.
Der SPD-Vorschlag sieht nach rbb-Informationen von Freitagvormittag vor, das 9-Euro-Ticket im Tarifbereich AB bis zum Jahresende anzubieten, also nicht mehr bundesweit im Nah- und Regionalverkehr. Damit soll die Zeit bis zum Jahresanfang 2023 überbrückt werden. Dann könnte - so die Hoffnung der Berliner Sozialdemokraten - der Bund in die Finanzierung einsteigen. Die Berliner Sozialdemokraten wollen sich dem Vernehmen nach dafür bei der Koalition im Bund einsetzen.
SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte dem rbb am Freitagmorgen über die Grundlage des Vorhabens, 85 Prozent der Berliner hielten das 9-Euro-Ticket für einen guten Weg, die Menschen zu entlasten. Es schaffe außerdem neue Wege der Mobilität. Zudem habe das Ticket eine große Akzeptanz bei den Berlinern.
Skepsis von den Grünen
Mit ihrer Forderung nach einer Weiterführung des günstigen Bus- und Bahntickets geht die Berliner SPD weiter als alle anderen Parteien. Die Grünen sprechen sich laut einem Positionspapier für ein monatliches 29-Euro-Ticket in der Region aus.
Der Co-Vorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Werner Graf, sagte am Freitagmorgen dem rbb, er halte es nicht für sinnvoll, jetzt einen Flickenteppich einzuführen und mit der Fortsetzung des 9-Euro-Ticket bis zum Jahresende ein Strohfeuer zu entfachen. Es komme darauf an, gezielt Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten. Deshalb sei es einfacher, das Sozialticket auszuweiten. Dieser Vorschlag könne sofort umgesetzt werden.
CDU gegen "9-Euro-Strohfeuer"
Der Berliner CDU-Chef Kai Wegner hatte bereits kürzlich gefordert, stattdessen eher die Ticketpreise einzufrieren. Auch er sprach am Freitag von einem "9-Euro-Strohfeuer", anstelle dessen es besser ein "dauerhaft attraktives 365-Euro-Ticket" geben solle. Sonst bekäme Berlin "bis Jahresende ein Billigticket (...) und einen Tag später müssen Kunden dann die schon angekündigte Tariferhöhung verkraften".
Wegner kritisierte auch, dass es keine gemeinsamen Konzepte von Berlin und Brandenburg gebe. "Der Vorschlag, das 9-Euro-Ticket regional bis Jahresende zu verlängern, ist ohne Beteiligung und Unterstützung des Verkehrsverbundes und des Landes Brandenburg eine Luftnummer. Wer zum BER fahren möchte oder in Potsdam studiert oder arbeitet, guckt in die Röhre. Die Spaltung des Verkehrsverbundes kann nicht die Lösung sein."
Kritik am Vorhaben kam auch von Sebastian Czaja, Vorsitzendem der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. "Statt die Qualität und damit die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen, verramscht der Berliner Senat Tickets und das, obwohl die ersten Auswertungen zu dem Ergebnis kommen, dass das 9-Euro-Ticket weder positive Wirkung auf die Umwelt noch auf die Zufriedenheit der Fahrgäste hatte", teilte Czaja mit.
DGB fordert gemeinsame Berlin-Brandenburg-Lösung
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg zeigt sich kritisch. Die Vorsitzende Katja Karger erklärte am Freitag in Berlin, der Vorschlag der SPD, das 9-Euro-Ticket nur für die Tarifbereiche AB zu verlängern, sei weder sozial noch ökologisch. Es sei absurd, die Pendler aus dem Tarifbereich C auszuklammern. Ein Großteil derjenigen, die in Berlin arbeiten, komme aus den Außenbezirken und dem Umland. Berlin und Brandenburg müssten jetzt eine gemeinsame Mobilitätsoffensive starten.
Kritik an dem Vorschlag der SPD kommt auch vom Bund der Steuerzahler Berlin. In einer Erklärung vom Freitag heißt es, ein Berliner Sonderweg sei nicht sinnvoll. Außerdem gebe es im Landeshaushalt kaum finanzielle Spielräume. Die Verlängerung des 9-Euro-Tickets für Berlin sei nichts als hilfloser Aktionismus der Landespolitik mit der Gießkanne.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2022, 05:00 Uhr
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