Die Bundesregierung sitzt auf enormen Impfstoffüberschüssen. Zum Stichtag 4. April befanden sich im zentralen Lager des Bundes 77 Millionen ungenutzte Dosen von Covid-19-Vakzinen. Das teilte das Gesundheitsministerium auf Anfrage von WELT AM SONNTAG mit. Binnen zwei Wochen ist der Vorrat um rund zehn Prozent gestiegen. Denn am 21. März lagen erst knapp 70 Milllionen Dosen auf Halde, wie aus einer aktuellen Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag hervorgeht.
Die Vorräte bestanden Ende März aus 27,4 Millionen Dosen des Herstellers Biontech, 40,2 Millionen des Unternehmens Moderna, 1,3 Millionen Dosen von Johnson & Johnson sowie 700.000 von Novavax. Angaben über die Kosten macht die Regierung unter Verweis auf das Geschäftsgeheimnis nicht.
Bislang wurden in Deutschland rund 172 Millionen Dosen verimpft. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sind inzwischen 63,3 Millionen Bundesbürger grundimmunisert, was 76 Prozent der Bevölkerung entspricht. Das Impftempo ist zuletzt weiter gesunken, in der vergangenen Woche wurden lediglich 237.000 Dosen verabreicht. Bei einer solchen Wochensumme würden rein rechnerisch bis Ende September nur etwa sechs Millionen Dosen benötigt. Allein bis Ende Juni werden aber mindestens elf Millionen Dosen ihr Verfallsdatum erreichen, im dritten Quartal weitere 57 Millionen.
Von der Bundesregierung wird auch die aktuelle Zahl der seit Pandemiebeginn bestellten beziehungsweise vertraglich vereinbarten Dosen genannt, darin sind auch noch ausstehende Lieferungen enthalten. Zum Stichtag 18. März beläuft sich die Summe auf 677,4 Millionen Einheiten. Anfang Dezember waren es 554 Millionen. Am 16. Dezember sprach dann Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von einem Impfstoffmangel und kündigte an, 92 Millionen zusätzliche Dosen von Biontech und Moderna zu ordern. Am Ende wurden es sogar 123,4 Millionen mehr. „Die Abweichung (…) beruht auf weiteren Bestellungen und Abschlüssen bilateraler Verträge nach dem 9. Dezember 2021“, erklärte die Bundesregierung nun.
Die Unionsfraktion wollte auch wissen, welche Impfstoffmenge die Regierung im laufenden Jahr für notwendig erachtet, um den Bedarf zu decken. Dazu heißt es in der Antwort: Unter Einbeziehung der 21 Millionen Impfungen, die vom RKI bis zum 20. März 2022 für das Jahr 2022 erfasst wurden, prognostizierten „die Szenarien einen Impfstoffbedarf für Deutschland zwischen ca. 125 Mio. Dosen und ca. 165 Mio. Dosen im Jahr 2022“. So gibt es die Annahme, „dass 100 Prozent derjenigen, die eine erste, zweite oder dritte Covid-19-Impfung erhalten haben, sich bis Ende des Jahres 2022 entsprechend für die zweite, dritte bzw. vierte Covid-19-Impfung entscheiden werden“.
Ebenfalls einbezogen seien „möglicherweise notwendige Impfungen für Flüchtlinge aus der Ukraine“. Der voraussichtliche Bedarf, so die Regierung, werde „auf der Grundlage historischer Impfzahlen in verschiedenen Szenarien“ prognostiziert. Berücksichtigt werden allerdings auch mögliche politische Maßnahmen, insbesondere die Einführung einer Impfpflicht. Da die Antwort an die CDU/CSU-Fraktion das Datum 7. April trägt, könnten die Prognosen inzwischen niedriger ausfallen, denn an diesem Tag wurde die von vielen ja erwartete Impfpflicht vom Bundestag abgelehnt.
Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, übt scharfe Kritik am Vorgehen von Karl Lauterbach. „Der Minister kennt bei den Impfstoffbestellungen keine Grenzen mehr. Er ordert, was immer da ist – der tatsächliche Bedarf und die Kosten spielen für ihn keinerlei Rolle mehr. Minister Lauterbach ist im Einkaufsrausch“, sagte Sorge im Gespräch mit dieser Zeitung. Lauterbach handle „frei nach dem Motto: Viel hilft viel.“ Das sei „fatal“.
Angesichts der angespannten Haushaltslage werde der Minister Rechenschaft darüber ablegen müssen, „welche Kosten dem Bundeshaushalt durch seine unnötigen Bestellungen entstanden sind“. Georg Kippels, Berichterstatter der Union für globale Gesundheitspolitik, konstatierte: „Die Welt schaut in der globalen Pandemiepolitik auf Deutschland.“ Der CDU-Politiker meinte: „Es wäre ein fatales Signal gegenüber anderen Ländern, wenn Deutschland im großen Stil Impfstoff vernichten müsste.“
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