In Deutschland gilt ab diesem Sonntag das neue Infektionsschutzgesetz. Es sieht den sogenannten Basisschutz vor, zu dem im Kern lediglich eine Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Einrichtungen mit gefährdeten Menschen gehört. In Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie in Schulen und Kitas kann aber eine Testpflicht angeordnet werden. Das neue Gesetz ist bis zum 23. September befristet.

Die Bundesländer können für sogenannte Hotspots weiter strengere Maßnahmen anordnen. Diese Regelung gilt übergangsweise bis zum 2. April. Als Hotspots gelten dem Gesetzentwurf zufolge Gebiete, in denen "die konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage besteht". Das sei dann gegeben, wenn sich etwa eine gefährliche Virusvariante ausbreitet. Eine solche Gefahr besteht demnach auch, wenn die Infektionszahlen stark steigen und zugleich eine Überlastung der Krankenhäuser droht. Ob eine solche Situation besteht, muss das jeweilige Landesparlament per Beschluss feststellen.

Hotspot-Regel ermöglicht strengere Maskenpflicht

Ein Hotspot kann sich auf einen Stadtteil beschränken, aber auch ein ganzes Bundesland umfassen. In den Hotspots dürfen weitergehende Maskenpflichten gelten als im Basisschutz vorgesehen. Außerdem kann das Abstandsgebot von 1,50 Metern wiedereingeführt werden – insbesondere in Innenräumen.

In dem Fall können Menschen verpflichtet werden, beim Betreten bestimmter Einrichtungen und Unternehmen einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis vorzulegen. Orte, an denen viel Publikum verkehrt, können zudem verpflichtet werden, Hygienekonzepte vorzulegen. Die Maßnahmen sollen dem Gesetzentwurf zufolge automatisch enden, sofern sie das jeweilige Landesparlament nicht spätestens nach drei Monaten verlängert.

Die Länder wenden die Hotspot-Regel aber längst an, womit vielerorts erstmal alles beim Alten bleibt: In Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern gilt noch bis zum 2. April die Maskenpflicht im Einzelhandel. Berlin behält die Regel bis zum 31. März bei. Die bayerische Landesregierung will einen Sonderweg einschlafen und das Bundesgesetz vorerst nicht anwenden. Für die Zeit nach dem 2. April gibt es laut dem bayrischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) noch keine Vorkehrungen.

Deutscher Städtetag rechnet mit baldiger Korrektur der Lockerungen

Wer mit der Deutschen Bahn fährt, muss ab diesem Sonntag keinen Nachweis mehr über den Status als Geimpfter, Genesener oder Getesteter vorlegen. Die Bahn teilte aber mit, dass Reisende weiterhin FFP2-Masken oder medizinische Maske tragen müssten. Zudem bliebe die 3G-Regel in der Bordgastronomie bestehen.

Politiker von CDU und CSU haben das neue Gesetz deutlich kritisiert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, bezeichnete das Gesetz als "grottenschlecht". Damit sei nicht einmal mehr ein ordentlicher Basisschutz möglich. Die "Hotspot"-Regelung bringe die Länder in eine rechtlich sehr unsichere Situation, kritisierte er in der Neuen Osnabrücker Zeitung.

"Ich sage es ganz deutlich: Wir wollen mit diesem Gesetz nichts zu tun haben. Was die Ampel hier vorlegt, halten wir für völlig verantwortungslos", sagte Frei. Auch der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) nannte die Lockerungen bei WDR 5 "nicht verantwortbar".

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, alle Länder seien sich parteiübergreifend einig, dass dieses Vorgehen inakzeptabel sei. "Ich hoffe, dass die Bundesregierung bald zur Gemeinsamkeit in der Pandemiepolitik zurückkehrt.", sagte Wüst.

Der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek sagte der Zeitung Bild am Sonntag: "Statt Tag der Freiheit droht ein Tag der Unvernunft." Die FDP schicke die Bundesländer in die Handlungsunfähigkeit.

Bundesregierung verteidigt neues Gesetz

Der Deutsche Städtetag geht unterdessen von einer raschen Korrektur der Neuregelung aus. Das Gesetz "beschneidet den Instrumentenkasten für Länder und Kommunen, um auf die Corona-Lage rasch zu reagieren", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe den Funke-Zeitungen. Es sei "ziemlich wahrscheinlich, dass das Gesetz bald wieder korrigiert werden muss". Lewes legte den Ländern nahe, rechtzeitig vor Ende der Übergangsfrist zu entscheiden, ob sie weiter Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht im Einzelhandel oder 3G/2G in manchen Lebensbereichen erlauben wollten. Solche Maßnahmen seien nach dem neuen Gesetz nur noch in Hotspots möglich, "von denen bisher niemand weiß, wo sie sind".

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, dessen Partei für die Lockerungen plädiert hatte, verteidigte das neue Gesetz. Es sei "verantwortbar" und finde die richtige Balance zwischen individuellem und staatlichem Gesundheitsschutz, sagte er der Augsburger Allgemeinen. "Wir gehen bei Corona jetzt einen Schritt Richtung Normalität", sagte Lindner. "In dieser Phase der Pandemie stärken wir wieder die Eigenverantwortung der Menschen".

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) widersprach Kritikern:  "Ab sofort rücken wir die Eigenverantwortung der Menschen nach vorne. Wir gehen wieder einen großen Schritt in Richtung Normalität", sagte er der Bild am Sonntag.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach in der Bundestagsdebatte um das neue Gesetz von einem "schweren Kompromiss". Man müsse aber die rechtliche Lage beachten. "Wir können nicht weiter das gesamte Land unter Schutz stellen, um eine kleine Gruppe von Impfunwilligen und denjenigen, die nicht bereit sind, die Maßnahmen mitzutragen, um diese zu schützen, die Balance wird geändert.", sagte Lauterbach.

Die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Deutschland ist zuletzt weiter gestiegen. Nach Informationen von ZEIT ONLINE haben die Gesundheitsämter binnen eines Tages 191.773 neue Fälle gemeldet. Damit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz auf einem Höchstwert von 1.873.