
Altbundeskanzler Schröder hat in Moskau mit dem russischen Präsidenten Putin über den Ukraine-Krieg gesprochen. In der SPD wird die Reise vorsichtig begrüßt.
Altkanzler Gerhard Schröder ist in Moskau, um mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Gespräche über den Ukraine-Krieg zu führen. Entsprechende Berichte des Nachrichtenportals „Politico“ wurden der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstagabend bestätigt. Nach dpa-Informationen fand ein erstes Gespräch zwischen Schröder und Putin am Donnerstag statt. Ob weitere geplant sind, blieb zunächst unklar.
Wie das Nachrichtenmagazin „Politico“ berichtet, soll die ukrainische Regierung Schröder um die Vermittlung gebeten haben und Schröder zunächst in Istanbul gewesen sein und sich mit einem ukrainischen Vertreter getroffen haben, der zu der Delegation für die Gespräche über eine Konfliktlösung mit Russland gehört.
In der Türkei verhandelten auch die Außenminister der Ukraine und Russlands am Donnerstag zunächst ergebnislos über eine Waffenruhe und Fluchtkorridore - es war das bisher ranghöchste Treffen.
Nach Tagesspiegel-Informationen war weder die SPD-Spitze noch die Bundesregierung in eine mögliche Schröder-Mission eingeweiht. "Keine Information, keine Rücksprache", hieß es hierzu aus Regierungskreisen. Bundeskanzler Olaf Scholz wollte sich zunächst nicht dazu äußern. „Ich möchte das nicht kommentieren“, antwortete der SPD-Politiker am Donnerstag am Rande eines EU-Gipfels im französischen Versailles auf eine entsprechende Frage.
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Aus der SPD-Spitze gab es am späten Donnerstagabend vorsichtig optimistische Stimmen. „Klar ist: Alles was hilft, diesen grauenvollen Krieg in der Ukraine zu stoppen, ist gut“, zitiert der „Spiegel“ den SPD-Chef Lars Klingbeil.
Was Schröders Mission bringen könnte, war völlig unklar. Bisher ist kein Einlenken der russischen Seite zu erkennen, trotz diplomatischer Versuche gehen die Bombardements auch gegen zivile Einrichtungen in der Ukraine weiter, die Hauptstadt Kiew rüstet sich für einen Großangriff.
Schweiz, Istanbul, Moskau: Die Stationen der angeblichen Schröder-Mission
„Die Ukraine will sehen, ob Schröder eine Brücke für den Dialog mit Putin bauen kann“, sagte dem unbestätigten Bericht zufolge eine der Quellen zu „Politico“. Zuvor hatte der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, Schröder als Vermittler vorgeschlagen. Allerdings sagte Melnyk am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur: „Ich kann mir schwer vorstellen, dass meine Regierung Schröder darum gebeten hat.“
Der Kontakt zu Schröder soll laut „Politico“ über den Schweizer Ringier-Verlag hergestellt worden sein, für den Schröder als Berater gearbeitet hatte. Er sei dann mit seiner Frau am Montag nach Istanbul geflogen. Der Abgeordnete des ukrainischen Parlaments, Rustem Umerov, habe ihm mitgeteilt, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj auf seine Beziehungen zu Putin setze, um zumindest eine Feuerpause zu erreichen.
„Die Ukrainer gaben Schröder Hinweise zu mehreren wichtigen Punkten, über die sie bereit wären zu verhandeln, darunter die NATO-Bestrebungen der Ukraine, den Status der Krim und die Zukunft der Donbass-Region, die Russland wenige Tage vor seiner Invasion als unabhängig anerkannt hatte“, berichtete das Portal „Politico“.
Ein Flugzeug aus Moskau?
Schröder habe nach dem Treffen auf dem Weg zum Flughafen eine Person aus Putins Umfeld kontaktiert und über das Gespräch berichtet. Er habe gefragt, ob Putin ihn treffen würde. „Zehn Minuten später erhielt Schröder grünes Licht, sollte aber bis Mittwoch in Istanbul warten, bis ein russisches Flugzeug ihn abholen würde“, heißt es in dem Bericht.
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Schröder ist Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft und hat auch Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream 1 und Nord Stream 2. Wegen seiner Nähe zu Putin hatte der ehemalige Bundeskanzler (1998 - 2005) immer mehr Rückhalt verloren, vor allem auch in der SPD.
Schröders fünfte Ehefrau, die Südkoreanerin So-yeon Schröder-Kim, hatte den Altkanzler erstmals kurz vor Kriegsbeginn bereits als Friedensvermittler ins Spiel gebracht. „Viele haben sich bei mir gemeldet, ob mein Mann nicht mit Herrn Putin über die Ukraine-Krise reden könnte. Das ginge nur, wenn die Bundesregierung das ernsthaft wollte. Davon ist aber nicht auszugehen“, schrieb die Schröder-Gattin in einem Instagram-Post.
So-yeon Schröder-Kim postete am Donnerstagabend außerdem ein Bild, dessen Hintergrund darauf schließen lässt, dass sie sich in Moskau befindet. Sie zeigt sich auf dem Bild in betender Pose.
Nach Kriegsbeginn war er auch für SPD-Politiker kaum noch zu erreichen und wurde schon als "Geist von Hannover" bezeichnet. Weil er sich bis zuletzt weigerte, seine Aufsichtsratsmandate nach Putins Überfall auf die Ukraine abzugeben und er im Juni auch noch in den Aufsichtsrat des Gazprom-Konzerns einziehen soll, ist die SPD stark auf Distanz zu ihm gegangen. Ihm droht ein Parteiausschlussverfahren.
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Klingbeil sowie acht ehemalige SPD-Chefs forderten zuletzt in einem gemeinsamen Schreiben den früheren Bundeskanzler ultimativ zur Distanzierung von Kreml-Chef Wladimir Putin auf.
„Handle und sage klare Worte“, heißt es in dem Brief. Angesichts des Kriegs in der Ukraine gehe es jetzt darum, „unmissverständlich sich auch gegen das kriegerische Handeln von Präsident Putin zu stellen“. Er selbst entscheide, ob er auch zukünftig ein geachteter Sozialdemokrat bleiben wolle. Wenn Schröder nicht öffentlich eine Erklärung abgebe, werde man sich „in diesem Sinne“ äußern.
Zuvor verlor er bereits alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Bundestagsbüros, auch seinen langjährigen Büroleiter und Weggefährten Albrecht Funk. Schröder hatte der Ukraine noch Ende Januar "Säbelrasseln" vorgeworfen und wiederholt betont, alle Seiten hätten Fehler gemacht, Putin werde nicht die Ukraine angreifen.
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Schröder verbindet - wie er es darstellt - eine Freundschaft mit Putin. 2004 nannte er ihn einen "lupenreinen Demokraten". Immer wieder war Schröder mit seiner damaligen Ehefrau Doris Schröder-Köpf bei Putin zu Gast, die Besuche hatten fast privaten Charakter, man strahlte um die Wette. Zu Schröders 60. Geburtstag brachte der russische Präsident Putin einen Kosakenchor mit nach Hannover. Und das Ehepaar Schröder durfte zwei russische Kinder adoptieren.
Als es jetzt im Februar dann doch zur Invasion der Ukraine kam, schrieb Schröder in seiner einzigen Stellungnahme dazu in dem Netzwerk LinkedIn: „Der Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine muss schnellstmöglich beendet werden“. Das sei die Verantwortung der russischen Regierung, schrieb Schröder ohne Putin namentlich zu nennen.
In den vergangenen Jahren sei häufig „über Fehler und Versäumnisse im Verhältnis zwischen dem Westen und Russland“ gesprochen worden. „Und es gab viele Fehler - auf beiden Seiten“, schrieb er, als wolle er den Überfall Putins relativieren. „Aber auch Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigen nicht den Einsatz militärischer Mittel.“
Beim Besuch von Kanzler Olaf Scholz (SPD) gut eine Woche vor Putins Kriegsbefehl hatte der russische Präsident Schröder über die Maßen gelobt, die Deutschen sollten sich bei ihm für lang Zeit niedrige Gaspreise bedanken. Scholz kommentierte nur kühl, er wolle „die privatwirtschaftlichen Aktivitäten eines früheren Politikers nicht weiter kommentieren. Er spricht nicht für die Bundesrepublik Deutschland, sondern für sich.“
Schröder hat Putin in der Kanzlerschaft und danach alle Türen geöffnet, um mit neuen Pipelines durch die Ostsee die Gas-Milliarden zu mehren. Auch dank der deutschen Zahlungen wurde das russische Militär in die Lage versetzt, in der es heute ist.
Es entpuppt sich jedoch heute als ein Fehler und Irrglaube der deutschen Russlandpolitik und der SPD, dass sich Putin durch Gasgeschäfte einhegen lassen konnte und dass Nord Stream ein rein privatwirtschaftliches Projekt sein werde. Das hatte Schröder vorangetrieben, unter Angela Merkel wurde dann das nun gestoppte Projekt einer weiteren Ostseepipeline, Nord Stream 2, vorangetrieben.
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