Die vorige Woche hielt lauter große Tage für Olaf Scholz bereit: Koalitionsvertrag unterschrieben, zum Kanzler gewählt, vom französischen Präsidenten empfangen. Dann wurde am Samstag auch noch sein Vertrauter Lars Klingbeil zum SPD-Vorsitzenden gewählt, mit einem deutlich besseren Ergebnis als die Ko-Vorsitzende Saskia Esken und der neue Generalsekretär Kevin Kühnert. Doch nun sind die Flittertage vorbei, am Montag musste der Bundeskanzler in eine dicke Scheibe politisches Schwarzbrot beißen: Das Kabinett beriet über einen Nachtragshaushalt. Die Regierung Scholz hat in den Arbeitsmodus geschaltet.
Bei aller Erfahrung, die der 63 Jahre alte Kanzler schon gesammelt hat, kommt er nicht ohne eine Gruppe enger Vertrauter aus, die Fachwissen und politisches Organisationstalent mitbringen, denen er auch vertrauen und von denen er daher Kritik annehmen kann. Wie es den Start einer neuen Regierung erschweren kann, wenn das nicht der Fall ist, führte Scholz’ sozialdemokratischer Vorgänger Gerhard Schröder 1998 vor, als er den Tausendsassa Bodo Hombach zum Kanzleramtschef machte und schon nach nicht einmal einem Jahr an die Luft setzen musste, weil er einfach der falsche Mann für den Posten war. Einen solchen Fehlstart will Scholz vermeiden.
Deswegen hat er eine Truppe mit ins Kanzleramt genommen, mit der er schon lange zusammenarbeitet und auf die er sich verlässt. Dass das Team besonders frauenlastig sei, kann man nicht sagen, sieht man einmal von seiner Büroleiterin Jeanette Schwamberger ab, die diese Funktion schon im Finanzministerium innehatte. Für Angela Merkel war deren Büroleiterin Beate Baumann wohl die wichtigste Vertraute. Wo die Grenzen selbst einer solchen Rolle sind, legte Baumann, die sich öffentlich stets sehr rar gemacht hatte, jetzt im „Spiegel“ offen: „Wenn bedeutende Entscheidungen anders ausfielen, als ich es für richtig hielt, konnte das sehr unbefriedigend sein.“ Wie sich das beim neuen Kanzler entwickelt, wird sich zeigen.
Samstags um 9.00 Uhr
ANMELDENScholz’ Vertrauensverhältnis ist offenbar nicht nur zu Schwamberger gut, sondern ebenso zu der ihn umgebenden Gruppe von Männern. Dafür spricht nicht nur, dass Scholz schon lange eng mit ihnen zusammenarbeitet. Kürzlich konnte man sich sogar auf offener Bühne ein Bild davon machen. Scholz war der prominenteste Gast bei der Übergabe des Bundespresseamtes vom bisherigen Sprecher Steffen Seibert an dessen Nachfolger Steffen Hebestreit, der früher Zeitungsjournalist war, aber schon in der Hamburger Landesvertretung mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs zusammenarbeitete und anschließend dessen Sprecher im Finanzministerium war. Hebestreit wärmte nicht nur einen von ihm selbst als „lahm“ bezeichneten Witz auf, den er bei seiner ersten Begegnung mit Seibert vor elf Jahren über die gleichlautenden Vornamen gemacht habe.
Er nahm sich auch den vor ihm sitzenden Scholz scherzhaft vor. Mit Blick auf Veränderungen, die im Umgang mit sozialen Netzwerken stattfinden, sagte er, dem Kanzler könne er „schon versprechen, dass er demnächst TikTok tanzen kann“, sofern man das gemeinsam beschließen sollte. Scholz’ Blick entnehme er, fuhr Hebestreit fort, dass da noch ein paar Diskussionen zu führen seien. Wenn jemand nach langer Zusammenarbeit öffentlich solche Scherze über den Chef macht, darf unterstellt werden, dass das zum Umgangston gehört. Kaum vorstellbar, dass Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm oder Seibert solche Witze mit der Kanzlerin gemacht hätten. Scholz scheint solche Flapsigkeit zu akzeptieren oder gut zu finden. Der Nebeneffekt ist, dass Hebestreit mit solchen Bemerkungen das Bild vom Kanzler als trockenem, gar humorlosen Hanseat ein wenig zurechtrückt.
Selbstbewusster Humor
Einen ähnlich selbstbewussten Humor hat jener Mann, der üblicherweise als engster Vertrauter von Scholz beschrieben wird, Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt. Auch er ist schon lange an Scholz’ Seite. Im Finanzministerium war er einerseits Staatssekretär, andererseits hat er das fortgesetzt, was er schon immer gemacht hat, nämlich ein vorteilhaftes Bild von Scholz zu zeichnen, gern auch im Umgang mit Journalisten. Wie viel Zeit dem 1970 geborenen Juristen hierzu in der neuen Funktion bleibt, wird sich zeigen. Der Chef des Bundeskanzleramts muss viel interne Koordinierung mit den Fraktionen im Bundestag leisten, ebenso mit den Landesregierungen. In Zeiten der Pandemie mehr denn je. Angela Merkel hatte in vier Legislaturperioden vier Kanzleramtschefs, keiner hatte eine solche Nähe zu ihr, wie sie Scholz und Schmidt nachgesagt wird. Das engste Verhältnis Merkels bestand wohl zu Peter Altmaier. Dass ein ChefBK, wie die Funktion abgekürzt wird, den Kurs der Regierung intensiv in den Medien darstellen kann, hat allerdings Merkels letzter Amtschef Helge Braun in der Pandemie vorgeführt.
Auch auf der Ebene der Abteilungsleiter im Kanzleramt gibt es einige Neuerungen. Zwei stechen besonders ins Auge. Scholz hat Jörg Kukies aus dem Finanzministerium mitgenommen. Er übernimmt die Leitung gleich zweier Abteilungen, der für Wirtschaft und der für Europa, was ihm neben einem enormen Arbeitspensum auch besonderes Gewicht geben dürfte. Der 1968 geborene Kukies, der einen weiten Weg vom rheinland-pfälzischen Juso-Vorsitzenden bis zum Deutschlandchef von Goldman Sachs hinter sich hatte, ehe er zu Scholz kam, nimmt seinen Rang als Staatssekretär aus dem Finanzministerium mit ins Kanzleramt. Auch insofern hebt er sich von den anderen Abteilungsleitern ab. Sie sind Ministerialdirektoren.
Zwei Frauen bleiben auf ihren Posten
Zu ihnen zählen Babette Kibele, die die Abteilung Innenpolitik führt, und Gesa Miehe-Nordmeyer, die die Abteilung für Gesundheit und Soziales führt. Beide hatten diese Posten schon unter Merkel inne. Neu ins Haus kommt Jens Plötner als Leiter der Abteilung 2 für Außenpolitik. Dieser Posten wird gern als der des „außenpolitischen Beraters“ des Kanzlers oder der Kanzlerin bezeichnet. Auf internationalen Reisen sind die außenpolitischen Abteilungsleiter dabei, oft auch die Leiter der Wirtschaftsabteilung, bei Reisen nach Brüssel oder zu EU-Partnern sind die Verantwortlichen für Europa mit im Flugzeug. Plötner kommt aus dem Auswärtigen Amt und hat seinen Aufstieg dort unter dem grünen Minister Joschka Fischer begonnen. Als der heutige Bundespräsident Steinmeier Außenminister war, wurde Plötner zu dessen Büroleiter und stieg später zum Politischen Direktor des Amtes auf.
Interessant ist die Besetzung der Spitze der Abteilung 6, in der nicht nur die Digitalpolitik angesiedelt ist, sondern auch „Politische Planung“. Bisher war dort Eva Christiansen zuständig, zu deren Aufgaben es gehörte, Journalisten den Kurs der Kanzlerin zu erklären. Neuer Leiter ist nun Benjamin Mikfeld, der um die Jahrtausendwende Bundesvorsitzender der Jungsozialisten war. Im Finanzministerium leitete er die Abteilung Planung und Strategie. Auch Mikfeld gehört zum engen Kreis der Scholz-Vertrauten.
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