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Umstrittene Ostsee-Pipeline: Grünes Licht für Nord Stream 2 | tagesschau.de - tagesschau.de

Stand: 21.07.2021 22:26 Uhr

Deutschland und die USA haben im Streit über Nord Stream 2 einen Durchbruch erzielt. Mit der nun geschlossenen Vereinbarung sind unter anderem Sanktionen gegen Russland möglich. Zusätzlich soll die Ukraine finanzell unterstützt werden.

Die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 kann fertiggestellt werden, ohne dass Sanktionen aus den USA drohen. Darauf haben sich die Vereinigten Staaten und Deutschland verständigt. Nachdem US-Außenamtsstaatssekretärin Victoria Nuland im Auswärtigen Ausschuss des Kongresses die Einigung verkündet hatte, folgte am Abend die Bestätigung aus Berlin.

Sanktionen gegen Russland möglich

Der gemeinsamen Erklärung beider Staaten zufolge sieht das Abkommen Sanktionen gegen Russland vor, sollte Moskau "Energie als Waffe benutzen". Dies gelte auch allgemein für "aggressive Handlungen gegenüber der Ukraine". "Im Rahmen des neu eingerichteten Hochrangigen Dialogs zwischen den USA und der EU über Russland sowie über bilaterale Kanäle" sollen "geeignete Instrumente und Mechanismen" bereitgestellt werden, "um gemeinsam auf russische Aggression und destruktive Aktivitäten zu reagieren". Deutschland werde dann Maßnahmen gegen Moskau ergreifen und auch auf Sanktionen auf EU-Ebene drängen.

Nuland hatte erklärt, bei den Verhandlungen mit Vertretern der Bundesregierung sei die amerikanische Seite in engen Beratungen mit der Ukraine gewesen. In Washington befürchten Politiker beider Parteien, dass Nord Stream 2 Polen und die Ukraine von der Erdgasversorgung abschneiden könnte und Moskau zu viel Macht über die europäische Gasversorgung geben könnte. Auch Polen lehnt die Pipeline ab.

"Grüner Fonds" für Ukraine geplant

Um die Energiewende und die Energiesicherheit in der Ukraine zu fördern, "verpflichtet sich Deutschland, einen Grünen Fonds für die Ukraine einzurichten", heißt es in der Erklärung. Berlin werde zunächst 175 Millionen US-Dollar (rund 148 Millionen Euro) einzahlen. Geplant seien Investitionen auch aus dem Privatsektor in Höhe von einer Milliarde Dollar.

Mit diesen Mitteln solle unter anderem die Nutzung erneuerbarer Energien gefördert, die Entwicklung von Wasserstoff als Energieträger erleichtert und der Kohleausstieg beschleunigt werden. Die Bundesregierung werde für den Fonds "auf eine Steigerung der Zusagen in den kommenden Haushaltsjahren hinarbeiten", hieß es weiter.

Mit rund 70 Millionen Euro will Berlin darüber hinaus bilaterale Energieprojekte in der Ukraine fördern, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Deutschland verpflichte sich auch, sich dafür einzusetzen, dass über den EU-Haushalt im Zeitraum 2021 bis 2027 Vorhaben im ukrainischen Energiesektor im Umfang von bis zu 1,77 Milliarden US-Dollar gefördert werden, heißt es weiter.

Der Gastransit durch die Ukraine soll laut der Erklärung auch über das Jahr 2024 hinaus "um bis zu zehn Jahre" verlängert werden. Die Verhandlungen zu diesem Punkt sollen noch vor dem 1. September beginnen.

Maas zeigt sich erleichtert

Außenminister Heiko Maas zeigte sich auf Twitter über den Durchbruch "erleichtert, dass wir in Sachen Nord Stream 2 mit den USA eine konstruktive Lösung gefunden haben". Das Auswärtige Amt schrieb: "Wir stehen als transatlantische Partner fest an der Seite der Ukraine."

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig begrüßte die Einigung. Die Ostsee-Pipeline müsse fertig gestellt werden, deshalb sei es gut, dass es nun eine Einigung gibt. "Die Landesregierung hat Nord Stream 2 von Anfang an unterstützt und immer Haltung gezeigt, egal wie schwierig es war", sagte sie dem NDR. "Die Pipeline ist wichtig für die Energieversorgung in ganz Deutschland und auch wichtig für Mecklenburg-Vorpommern und unsere Arbeitsplätze." Erdgas sei eine wichtige Übergangslösung, bis die Versorgung aus erneuerbaren Energien zu 100 Prozent gewährleistet sei.

Die umstrittene Pipeline durch die Ostsee soll mehr russisches Gas nach Westeuropa bringen. Das Milliardenprojekt ist zu 98 Prozent fertiggestellt und soll nach Angaben von Nord Stream 2 noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden.

Wiederholte Kritik an Pipeline

Mit der Einigung wird die Wiederaufnahme der vom US-Kongress verordneten Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG und ihren Geschäftsführer vorerst abgewendet. US-Präsident Joe Biden hatte die Maßnahmen im Mai bis August aufgehoben, um beiden Seiten Zeit für Verhandlungen einzuräumen.

Nuland betonte, die US-Regierung sei weiterhin der Überzeugung, dass Nord Stream 2 "ein schlechter Deal" sei, der die Abhängigkeit Europas von russischer Energie verstärke. "Das ist eine schlechte Situation und eine schlechte Pipeline, aber wir müssen helfen, die Ukraine zu schützen, und ich habe das Gefühl, dass wir mit dieser Vereinbarung einige wichtige Schritte in diese Richtung gemacht haben." Die Bundesregierung weist die Warnung vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Gas zurück. Die USA wollen zudem eigenes Gas in Europa verkaufen.

Aus der Ukraine kam Kritik an der möglichen Einigung. Aus dem Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj hieß es am Mittwoch, die Entscheidung zu Nord Stream 2 könne nicht "hinter dem Rücken all derer getroffen werden, die das Projekt real bedroht". Das könne nur bei einem persönlichen Treffen Selenskyjs mit Biden geklärt werden. Das Weiße Haus teilte mit, ein Treffen Bidens mit Selenskyj sei für Ende August geplant.

Vorsichtiges Lob aus Moskau

Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Nachmittag nach Regierungsangaben mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin. Wie die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, mitteilte, ging es in dem Telefonat um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine. "Auch Energiefragen wie der Gastransit durch die Ukraine und die Pipeline Nord Stream 2 waren Thema des Gesprächs."

Der Kreml lobte in einer Mitteilung nach dem Telefonat "das konsequente Engagement der deutschen Seite" bei der Umsetzung des "ausschließlich wirtschaftlichen Projektes". Das ziele auf die Stärkung der Energiesicherheit Deutschlands und der EU ab. Auch über eine mögliche Verlängerung des 2024 auslaufenden Vertrags über den Gastransit durch die Ukraine sei gesprochen worden.

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