Die Debatte um Islamismus wird in Deutschland häufig auf Gewalt und Terror verkürzt. Die Bundestagsfraktion von CDU und CSU will den Blick nun verstärkt auf die ideologische Basis richten.
„Der politische Islamismus, der vordergründig gewaltfrei agiert, aber Hass, Hetze und Gewalt schürt und eine islamische Ordnung anstrebt, in der es keine Gleichberechtigung, keine Meinungs- und Religionsfreiheit und auch keine Trennung von Religion und Staat gibt, hat sich in Teilen unserer Gesellschaft breitgemacht“, heißt es in einem Positionspapier der Fraktion, das WELT vorliegt und voraussichtlich am Dienstag beschlossen wird.
Christdemokraten und Christsoziale fordern in dem Papier die „Beendigung staatlicher Kooperationen und Vertragsbeziehungen mit Organisationen des politischen Islamismus“. Dies trifft insbesondere islamische Vereine und Verbände, die von den Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern beobachtet werden.
Sämtliche finanzielle Zuwendungen, Förderungen, Vertragsbeziehungen und Kooperationen mit diesen Organisationen müssten überprüft und eingestellt werden, heißt es. Dies schließe auch gesetzliche Steuervergünstigungen im Sinne der Gemeinnützigkeit ein.
Das trifft indirekt auch mehrere große Dachverbände wie den Zentralrat der Muslime und den Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, deren größte Mitgliedsverbände vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden.
„Abwertung insbesondere der Kurden und des Judentums“
So bewertet der Verfassungsschutz die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (Atib) als Teil der türkisch-rechtsextremen Grauen Wölfe, deren Überhöhung des Türkentums „zu systematischer Abwertung anderer Volksgruppen oder Religionen, insbesondere der Kurden und des Judentums“ führe.
Atib ist Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime und stellt dort einen Vizevorsitzenden. Der Verband war etwa zwischen 2016 und 2018 im Geschäftsbereich des Bundesfamilienministeriums für den Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug als Einsatzstelle anerkannt worden.
Auch weitere Zentralratsmitglieder werden von den Inlandsnachrichtendiensten beobachtet. Eine Recherche von WELT AM SONNTAG zeigte im vergangenen Jahr, dass mehrere Bundesministerien und Bundesländer Projekte des Zentralrats fördern.
Dem religiösen Extremismus und seinen Vertretern müsse mit gleicher Distanz und Ablehnung begegnet werden wie den politischen Extremisten von links und rechts, sagt der Berichterstatter für Religionsgemeinschaften der Unions-Bundestagsfraktion, Christoph de Vries (CDU). „Die Feinde unserer Verfassung und ihre Ideologen können nicht gleichzeitig Partner unseres Staates sein. Keine Toleranz für Intoleranz ist die klare Botschaft und zugleich Warnung an die Organisationen und Vertreter des politischen Islamismus.“
Im Mittelpunkt der Unions-Forderungen steht zudem die deutschlandweite Einrichtung von Lehrstühlen an Hochschulen zum Thema Islamismus, eine breit angelegte Schulstudie über islamistische Einflüsse, die Einrichtung einer „Dokumentationsstelle politischer Islamismus in Deutschland und Europa“ und eines entsprechenden Expertenkreises im Bundesinnenministerium sowie für Moscheevereine die Offenlegung von ausländischen Finanzströmen.
Zudem müssten die staatlichen Anstrengungen darauf ausgerichtet sein, die akademische und geistliche Ausbildung von Imamen in Deutschland vorzunehmen. Die Finanzierung der geistlichen Ausbildung sei allerdings eine Angelegenheit der Religionsgemeinschaften selbst.
„Wir achten die Freiheit des Glaubens ohne Abstriche, aber wir wollen nicht zulassen, dass ausländische Regierungen oder Kräfte des politischen Islamismus unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit auf eine Herrschaftsordnung in Deutschland hinwirken, die Gesellschaft, Politik, Kultur und Recht islamischen Normen unterwerfen will“, sagt de Vries.
Fundamentale Grundwerte wie Gleichberechtigung, Minderheitenschutz und der Vorrang von Gesetzen vor religiösen Regeln seien unverhandelbar. Darauf könne es keinen „religiösen Rabatt“ geben.
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