Ende September klang Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch durchaus optimistisch. Es werde „absehbar“ einen Heimtest gegen Covid-19 geben können, kündigte er an. Ob das in vier oder erst in 16 Wochen sei, werde man sehen, so Spahn. „Aber ich bin sehr sicher, wir werden es sehen.“
Mittlerweile sind 18 Wochen vergangen – und die Schnelltests für zu Hause lassen auf sich warten. Genau wie eine Selbsttest-Strategie überhaupt.
Immerhin hat nun das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angekündigt, man gehe davon aus, „die ersten Sonderzulassungen“ Anfang März erteilen zu können. Es gebe Anträge für 30 verschiedene Produkte, mit denen sich jeder binnen 15 Minuten selbst testen könne. Zudem werde die Zulassung weiterer Schnelltests zur Laienanwendung durch Zertifizierungsstellen erwartet.
Aber was bedeutet das nun für die Bevölkerung – und den bestehenden Lockdown? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum ist Deutschland so spät dran?
In den USA hat die FDA, die Behörde für Lebens- und Arzneimittel, Corona-Schnelltests für den Privatgebrauch bereits Mitte Dezember genehmigt. Auch in einigen EU-Ländern ist der Kreis derjenigen, die den Test durchführen können, deutlich früher ausgeweitet worden als in Deutschland. In Frankreich etwa dürfen seit November auch Apotheker den Test machen, sogar auch an Personen ohne Symptome. In Deutschland ist dies erst seit knapp vier Wochen möglich.
Grundsätzlich durften hierzulande die Antigen-Schnelltests bisher nur von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden, meist in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Eine erste Ausnahme erfolgte Anfang Dezember für Erzieher und Lehrer, sofern diese vorher an einer Schulung teilgenommen hatten. Seit einer kürzlichen Gesetzesänderung ist nun jeder berechtigt, sich selbst zu testen.
Doch bevor es so weit ist, benötigen die Tests eine gesonderte Zulassung oder eine Zertifizierung als Medizinprodukt, damit – wie die Bundesregierung betont – Qualität und Gebrauchstauglichkeit sichergestellt werden. Hintergrund ist die Sorge der Politik, dass die Bürger die Tests fehlerhaft durchführen könnten und Infektionen unerkannt bleiben.
Und die Hersteller konnten nach Angaben des Verbandes der Diagnostica-Industrie (VDGH) ihre Selbsttests zur Zertifizierung erst einreichen, seit durch die Gesetzesänderung klar ist, dass die auch von Laien benutzt werden dürfen.
Um welche Art von Schnelltests handelt es sich?
In Aussicht ist eine Reihe von Testmöglichkeiten – Details geben die Hersteller während des Zertifizierungsverfahrens nicht preis, um Wettbewerbern keinen Vorteil zu verschaffen. Aber die Verfahren sollen in aller Regel einfacher sein als die Tests, die von medizinischem Personal durchgeführt werden. Der Klassiker ist der Nasen-Rachen-Abstrich, der auch beim üblichen PCR-Test gemacht wird. Dieser ist in der Durchführung nicht selbsterklärend und für die Betroffenen meist unangenehm.
Deshalb sind Tests in Vorbereitung, die nur noch einen Abstrich im vorderen Nasenbereich benötigen, um sichere Ergebnisse zu liefern. Doch auch mit Gurgel-, Spuck- und Speicheltests lassen sich voraussichtlich im Schnellverfahren Antigene nachweisen. Dies wäre insbesondere für Kinder eine Alternative. Experten weisen jedoch darauf hin, dass bei den Spucktests ein Sekret tief aus den Atemwegen benötigt wird.
Wo sollen die Schnelltests eingesetzt werden?
Da es keine Teststrategie gibt, wird es auch kein einheitliches Vorgehen geben. Vorerst zumindest. Doch Bundestagsabgeordnete dringen darauf, sich auf bestimmte Gruppen und Anwendungsfälle zu konzentrieren – schon weil die Zahl der Testkits nicht unbegrenzt ist.
„Grundsätzlich sollte es nach einer Lockerung des Lockdowns obligatorisch sein, dass Institutionen zugelassene Selbsttests anbieten, wenn sie wieder öffnen. Das gilt für den Handel, Kultureinrichtungen, vor allem für Schulen, aber auch für Unternehmen“, sagt die SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Bärbel Bas. „Es sollte verpflichtend und Teil des jeweiligen Hygienekonzepts sein, dass solche Selbsttests gemacht werden, bevor einer größeren Anzahl von Menschen wieder Zugang gewährt wird.“
„Schnelltests sind das geeignetste Mittel überhaupt“
Die Ärztin Dr. Lisa Federle ist Pandemiebeauftragte des Landkreises Tübingen. Federle hält den konsequenten und regelmäßigen Einsatz von Schnelltests, auch etwa bei Schülern vor dem Unterricht, für alternativlos im Kampf gegen das Virus.
Quelle: WELT/ Thomas Klug
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen nennt drei Gruppen, die mit Priorität und regelmäßig getestet werden sollten: „Risikogruppen, die besonders geschützt werden müssen, unter anderem in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Zweitens Menschen in Risikoberufen, die viele Kontakte mit anderen Menschen haben, bei Lieferdiensten zum Beispiel. Dritter Schwerpunkt sind Kitas und Schulen – und dort Personal, Kinder und Jugendliche sowie Eltern“, sagt Dahmen, der selbst Notfallmediziner ist.
Stehen ausreichend Produktionskapazitäten zur Verfügung?
Die Behörden erfassen nicht alle Hersteller, die Coronatests herstellen. Denn die können sich ihre Produkte auch von unabhängigen Prüfgesellschaften wie dem TÜV oder der Dekra zertifizieren lassen. Daher gibt es keinen vollständigen Überblick zu Produzenten und Produktionskapazitäten. Im Geschäft mit entsprechenden Tests ist aber eine Vielzahl von Anbietern aktiv.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat allein 179 Hersteller von Corona-Tests registriert, die von ausgebildetem Personal durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um Unternehmen aus allen Erdteilen. Nicht alle werden auch Selbsttests entwickeln, aber an Anbietern wird wohl kein Mangel herrschen.
Engpässe könnte es aber aus anderen Gründen geben. Da nach der jüngsten Gesetzesänderung viele Hersteller gleichzeitig eine Zulassung beantragen, sind die Prüfgesellschaften offenbar überlastet. Dieser Schluss ergibt sich zumindest daraus, dass bislang schon 30 Anbieter auf das Bundesinstitut ausgewichen sind – was nicht der gängige Weg ist.
Die Behörde erteilt zwar auch Zulassungen und nach eigenen Angaben sogar schneller als die privaten Instanzen. Aber nur zeitlich befristet und nicht für die ganze EU, sondern nur für Deutschland. Unternehmen wählen diesen Weg also nur in Ausnahmefällen – oder wenn es sehr schnell gehen soll.
Wie viel kosten Schnelltests, und wo wird man sie kaufen können?
So zurückhaltend wie bei der Teststrategie ist Gesundheitsminister Spahn auch bei Auskünften zum Preis von Selbsttests – und wer die Kosten dafür trägt. Die Preisgestaltung sei offen – ebenso inwieweit der Bund den Kauf eventuell unterstützt, so Spahn.
Ob die Bundesregierung überhaupt in die Preisgestaltung eingreift, ist nicht gesagt. Selbsttests gibt es derzeit in Großpackungen ab fünf Euro das Stück. Die Frage ist, ob die Hersteller die stark steigende Nachfrage nicht für Preiserhöhungen nutzen. Wo die Tests verkauft werden, ist nicht gesetzlich geregelt. Die Anbieter können das über Apotheken, das Internet und beispielsweise auch über Drogerien tun.
Was passiert nach einem positiven Testergebnis?
Im Rahmen der nationalen Teststrategie finden derzeit pro Woche rund 1,5 Millionen PCR-Tests statt. Mit diesem als „Goldstandard“ bezeichneten Test werden aber nur Menschen mit Symptomen und deren enge Kontaktpersonen getestet. Im Oktober wurde die Teststrategie um den Einsatz von Antigen-Tests erweitert. Ihre Sensitivität und Spezifität sind jedoch geringer. Ein positives Ergebnis im Antigen-Test muss deshalb grundsätzlich mittels PCR bestätigt werden. Das gilt auch für die neuen Selbsttests.
Für das Robert-Koch-Institut (RKI) sind die Testergebnisse ein wichtiger Anhaltspunkt für die Beurteilung der epidemiologischen Entwicklung. Daher sei es wichtig, auch Daten zum Einsatz von Antigen-Schnelltests in Deutschland zu erheben, sagt eine Sprecherin. Hierzu sei die Abfrage in Laboren erweitert worden. Das Problem: Da nur sehr wenige Schnelltests in Laboren direkt durchgeführt werden, sind die hier übermittelten Informationen nur bedingt aussagekräftig.
Im Hinblick auf die Bewertung der Teststrategie sowie auch der epidemiologischen Lage sei die Erfassung von Schnelltest-Ergebnissen etwa in Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen oder Rettungsdiensten aber wichtig, erklärt das RKI. „Die Vielfältigkeit dieser Einsatzgebiete stellt jedoch eine Herausforderung für die Kontaktaufnahme zu Übermittlung der Daten dar.“ Seit Ende 2020 führt das RKI deshalb eine wöchentliche Online-Abfrage in den Einrichtungen durch.
Derzeit beteiligten sich aber bundesweit nur etwa 95 Einrichtungen an der Erfassung, teilt das RKI mit. Eine repräsentative Aussage zum Einsatz der Antigen-Schnelltests sei daher „aktuell nicht möglich“. Der Großteil der an privaten Teststationen durchgeführten Tests geht daher nicht in die Statistik ein. Dieses Dunkelfeld dürfte sich erweitern, wenn ab März Selbsttests zum Hausgebrauch dazukommen.
Wie können Schnelltests in Kitas und Schulen für Sicherheit sorgen?
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) setzt große Hoffnungen auf den Einsatz der Selbsttests in Kitas und Schulen. Dies sei ein guter Weg, um die Zeit bis zum Impfen zu überbrücken. Die Selbsttests seien ein „echter Game Changer“, um wieder mehr Kinder in den Regelbetrieb zurückzuholen und dennoch größtmögliche Sicherheit für das Personal zu gewährleisten, sagte die Ministerin am Montag bei einem Besuch in einer Kita in Potsdam.
Vor der Arbeit wird gespuckt – Kita setzt auf Selbsttests
Um das Infektionsrisiko weiter einzuschränken, setzt eine Kindertagesstätte in Potsdam auf sogenannte "Spuck-Schnelltests". Jeder Mitarbeiter testet sich damit auf Corona – und zwar zuhause vor Dienstbeginn.
Quelle: WELT/ Dagmar Böhning
In der brandenburgischen Landeshauptstadt läuft seit zwei Wochen ein Modellprojekt mit Spucktests, die innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis bringen. Die 2500 Erzieherinnen und Erzieher der Stadt testen sich zweimal wöchentlich selbst. Bisher fielen sieben Selbsttests positiv aus, bei den absichernden PCR-Tests waren aber sechs von ihnen negativ; ein Ergebnis steht noch aus.
Giffey setzt große Hoffnungen in die Laientests, zumal die langen Kita- und Schulschließungen bei den Kindern zu Vereinsamung, depressiver Stimmung und Bewegungsmangel führen könnten. Mit den Laientests könnten auch Schülerinnen und Schüler flächendeckend getestet werden.
In Berlin werden die Massentests bereits vorbereitet. „Wir werden zehn Millionen Schnelltests für die Schulen und Kitas beschaffen“, kündigte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) an. „Die Selbsttests tragen dazu bei, eine noch genauere Übersicht über das Infektionsgeschehen zu erhalten und die Ausbreitung einzudämmen.“
Geplant ist, dass sich alle Lehrkräfte und Schüler und alle Kita-Beschäftigten der Berliner Kitas zwei Mal in der Woche selbst testen. Laut Gesundheitsverwaltung sind dafür in den kommenden Monaten zunächst 32 Millionen Euro eingeplant.
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