Es musste Ende 2018 ziemlich schnell gehen, mit der Maut. Als sich Beamte, Anwälte und Vertreter der Betreiber am 30. Dezember, einem Sonntag, in einer Berliner Kanzlei trafen, um die Maut-Verträge zu unterzeichnen, war der Zeitdruck groß. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wollte das umstrittene Prestigeprojekt seiner Partei noch vor dem Jahreswechsel durchboxen, um die vom Bundestag bewilligten Milliarden zu nutzen. Der Minister war zwar nicht dabei, aber seine Leute hielten ihn auf dem Laufenden. Mit E-Mails, die im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Mautdebakel einen schweren Verdacht aufwerfen. Abgeordnete fühlen sich wegen der Dokumente von Scheuer verschaukelt.
Im Zentrum steht Ex-Verkehrsstaatssekretär Gerhard Schulz, im Ministerium Mr. Maut genannt. Er verschickte an Silvester um 10.48 Uhr jene E-Mail, die viele Fragen aufwirft, seit sie bereits im Sommer bekannt wurde. "Das ist jetzt gut so. Ich schicke es direkt Min auf seine private email", notiert der Spitzenbeamte auf eine E-Mail zu Details der Mautverträge. Was banal klingt, wird für Schulz, aber auch für Scheuer immer stärker zum Problem. "Die Indizien, dass Andi Scheuer eine zusätzliche private Mail-Adresse für seine Dienstgeschäfte genutzt hat, sind ziemlich stark", sagt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. "Damit hätte er ein weiteres Mal im Untersuchungsausschuss gelogen."
Mautplaner Schulz, inzwischen Chef des Mautkonzerns Toll Collect, musste sich am Donnerstag bei einem Auftritt vor dem Ausschuss für seine zentrale Rolle bei der Maut verantworten. Der Auftritt ließ tief blicken, denn der Mautplaner räumte ein, dass Scheuer und er versuchten, bei Geheimgesprächen mit den Chefs der Betreiber das zu teure Angebot der Bieter zu drücken - abseits der offiziellen Verhandlungen. Dem Bundestag hatte das Ministerium die Treffen zu Beginn der Aufklärung verschwiegen. Sie waren auch in den Akten zur Maut zunächst nicht dokumentiert.
Ähnlich ist es bei möglichen Emails über private Adressen. Bislang haben die Aufklärer keine Maut-Mails über private Konten in den vom Verkehrsministerium zur Verfügung gestellten Unterlagen gefunden. Schulz stellte eine solche Kommunikation am Abend als Missverständnis dar. Gemeint habe er die persönliche Dienstadresse Scheuers. Der Spiegel hatte zuvor über die Nutzung eines GMX-Accounts auch beim Thema Maut berichtet.
Dass wichtige Informationen zur Maut auf anderen als den offiziellen Accounts des Ministers als Ressortchef und Abgeordneter landeten, hatte das Ministerium zuletzt stets bestritten. Es weist das am Donnerstag erneut zurück: "Die Erreichbarkeit des Wahlkreisabgeordneten und Bundesministers Andreas Scheuer ist auf verschiedene Weise gegeben", teilt es mit und kündigt Erklärungen während der Vernehmung des Ministers Ende Januar an. "Bundesminister Scheuer wird am 28.1. im Untersuchungsausschuss sein. Dort wird er auf Fragen der Abgeordneten antworten."
Nun könnte es noch ungemütlicher für Scheuer werden
Scheuer hatte zunächst allerdings auch bestritten, dass Maut-E-Mails über seinen Bundestagsabgeordneten-Account liefen, und musste später zurückrudern. Sein Ministerium lieferte die fraglichen Dokumente an den Ausschuss nach und machte dafür ein "Büroversehen" verantwortlich. Inzwischen untersucht ein Ermittlungsbeauftragter des Ausschusses, ob Scheuer nun wirklich alle Mails aus diesem Postfach zur Verfügung gestellt hat.
Nun könnte es noch ungemütlicher für Scheuer werden. Die Mitglieder des Maut-Ausschusses gehen der Frage nach, ob das Ministerium den Hinweis auf den privaten Kanal aus den Akten löschen wollte. Denn die Abgeordneten durchforsteten die Unterlagen erneut. Der E-Mail-Wechsel um Silvester taucht an mehreren Stellen auf. Doch nur in einem Papier existiert der Hinweis auf den privaten Account - in anderen Dokumenten fehlt die Mail. Abgeordnete fragen sich: Wurde sie entfernt, um die Existenz des Accounts zu vertuschen - und nur einmal vergessen? Aufschluss erhoffen sie sich spätestens von der Vernehmung Scheuers in zwei Wochen.
Der Untersuchungsausschuss arbeitet seit einem Jahr die Vorgänge rund um die gescheiterte Pkw-Maut auf. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte das CSU-Prestigeprojekt im Juni 2019 als rechtswidrig gestoppt. Scheuer steht stark unter Druck, weil er millionenschwere Verträge zur Mauteinführung abgeschlossen hatte, bevor überhaupt Rechtssicherheit bestand. Deutsche Steuerzahler könnte das teuer zu stehen kommen. Die Betreiber fordern Schadenersatz in Höhe von 560 Millionen Euro vom Bund. Am Abend sollte auch Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor dem Ausschuss aussagen. Die Opposition sieht ihn in der Mitverantwortung.
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