Die Gassen sind leer, die Wirtschaft schwächelt - Florenz fehlen die Touristen. Aber die ungewollte Corona-Pause schafft auch ein neues Bewusstsein - für die Chance, eine Alternative zum Massentourismus zu finden.
Von Elisabeth Pongratz, ARD-Studio Rom
Barbara aus Padua sieht glücklich aus. Mit ihren beiden Kindern schlendert sie entspannt durch das historische Zentrum von Florenz. "Die Stadt ist wunderschön. Ich finde sie sehr sauber. Es ist ein schöner Tag ohne viele Touristen - ideal für diejenigen, die sie noch nie gesehen haben."
Meist ist die Piazza della Signoria mit dem ehrwürdigen Palazzo Vecchio, in dem einst die Medici residierten, brechend voll. Doch in diesen Zeiten ist es ruhig, für die Besucher angenehm, für viele Einheimische viel zu ruhig.
Andrea kutschiert seit zehn Jahren Touristen durch die florentinischen Gassen, jetzt verbringt er seine Zeit oft mit Warten. "Wenn 70 bis 80 Prozent des ausländischen Tourismus fehlen, wird es wirklich schwierig", sagt er.
Leere Gassen statt Massentourismus
Gerade Städte wie Rom, Venedig oder Florenz sind vom Einbruch des Tourismus betroffen: Die Besucher aus den USA, aus China, Japan oder Russland sind plötzlich nicht mehr da. In Massen waren sie zuvorgekommen, oft nur für einen Tag, als sie noch mit Bussen von den Kreuzfahrtschiffen, die in Livorno anlegten, in die Stadt transportiert wurden. Bars, Restaurants, Geschäfte - sie alle spüren den Einbruch.
Louise sitzt an der Rezeption des Hotels Perseo, in der Nähe des Doms. Die gebürtige Neuseeländerin führt den Familienbetrieb seit fast 30 Jahren, zwölf Angestellte auf Teilzeitbasis arbeiten hier. Jetzt sind sie im Zwangsurlaub - nur 20 Prozent der Zimmer sind belegt. Schon seit langem habe sich das Zentrum von Florenz verändert, so Louise, angesichts der vielen AirBnBs, Supermärkte und Souvenirläden. Mit dem Corona-Lockdown brach nun alles zusammen.
"Es ist das erste Mal, dass man sich ganz verloren fühlt, weil keiner Ideen hat, wie man aus dieser Situation wieder herauskommt und welche Möglichkeiten es gibt", stellt Louise fest. Sie wünscht sich mehr Dialog: "Wir brauchen eine belebte Innenstadt, die auch wieder von den Italienern belebt wird." Die Einwohner sollten nicht die Innenstadt verlassen müssen, weil nur Touristen sich eine höhere Miete leisten können.
Nachhaltige "Wiedergeburt"
Tatsächlich hängt ein ganzer Wirtschaftsbereich vom Tourismus ab. Für den Großraum Florenz rechnet man in diesem Jahr mit Einbußen von einer Milliarde Euro.
Nun soll sich mithilfe des Projektes "Wiedergeburt von Florenz" Vieles ändern. Investitionen und wirtschaftliche Hilfe aus aller Welt sind gefragt, dafür wurde ein Fonds gegründet. Doch es geht auch um einen tiefgreifenden Wandel, erklärt Bürgermeister Dario Nardella: "Das Projekt richtet sich auch an die Bürger und die lokalen Unternehmen, weil es Ziele, Veränderungen und eine Wiedergeburt in mehreren Bereichen vorsieht - wie Umwelt, Innovation, Ausbildung."
Nachhaltiger soll die Stadt werden. Der Tourismus auf die Schnelle, in Massen, er soll vorbei sein: "Das Ziel ist es, auf einen Qualitätstourismus zu setzen", erklärt Bürgermeister Nardella. "Deshalb haben wir uns entschieden, den Tagesbussen die Zufahrt zur historischen Innenstadt zu verbieten." Auch solle das Zentrum künftig vielfältiger werden, man wolle zum Beispiel erneut Firmen oder auch ausländische Universitäten ansiedeln.
Mit Muße durch die Uffizien
Ein Publikumsmagnet in Florenz sind seit langem die Uffizien. Entspannt geht es zu, findet Museumsbesucher Fulvio aus Rom: "Es gibt mehr Zeit, um sich in Ruhe alles anzusehen, es gibt weniger Druck. Man kann besser genießen, was es hier zu sehen gibt."
Momentan kann er genau das machen, was dem Direktor der Kunstsammlungen, Eike Schmidt, schon lange vor der Corona-Pandemie vorschwebte. Die Strategie sei nun, ein intensives Kunsterlebnis auch künftig zu ermöglichen. "Irgendwann wird es wieder losgehen mit dem Ansturm - das war in den wenigen Fällen, in denen die Uffizien in der Vergangenheit für längere Zeit geschlossen waren, der Fall." Jetzt sei es daher wichtig, andere Formen der Kunstwahrnehmung einzuüben - man sei gerade "voll dabei".
Ein erster Nebeneffekt: Die Besucher bleiben länger - zur Freude des Direktors. In der Vergangenheit hatte sich der Massentourismus vor allem auf die berühmtesten Attraktionen konzentriert. Andere, durchaus auch bedeutende Denkmäler oder Museen ließen die meisten links liegen. In der Krise könnte nun eine Chance liegen - für die Besucher wie für Florenz.
July 28, 2020 at 01:37PM
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